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Abstract:
Die Rolle wissenschaftlicher Expertinnen und Experten in der Corona-Krise ist wiederholt kritisiert worden, insbesondere von geisteswissenschaftlicher Seite. Ein Hauptvorwurf, der auch an die Adresse der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina gerichtet ist, lautet, wissenschaftliche Experten seien anmaßend, wenn sie als politische Berater mit ihrer wissenschaftlichen Kompetenz und mit Sachzwängen argumentieren. Die Brisanz des Arguments wird noch durch die Behauptung zugespitzt, der wissenschaftliche Experte benötige für seine politische Beraterrolle besondere persönliche Qualitäten, für die ihm die Wissenschaft kein Rüstzeug liefere. Diese Mystifizierung der Figur des Experten dient dann als Rechtfertigung eines vorgefassten, tiefsitzenden Skeptizismus gegenüber naturwissenschaftlichem Spezialistentum und Expertise. Ein Rückblick in die Geschichte entzieht dieser Mystifizierung die empirische Grundlage. Die Geschichte zeigt: Experten oder „Sachverständige“ zeichnen sich vor allem durch praktisch relevantes, empirisches Wissen aus, das im technischen Umgang mit „Sachen“, Experimente eingeschlossen, erworben wurde; diese Sachkompetenz war meist der ausschlaggebende Faktor für ihre Beratertätigkeit. In der anschließenden Diskussion des Begriffs Sachzwang argumentiere ich gegen die weit verbreitete Ansicht, Sachzwänge seien technokratische Totschlagargumente. Das Argumentieren mit Sachzwängen legt nur offen, welche Konsequenzen und Handlungsoptionen sich aus vorhandenem Sachwissen ergeben, es impliziert jedoch keine Normen und damit auch keine Vorabentscheidung über Handlungsziele.