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Abstract:
Kommt es bei der Feststellung eines „Verschuldens“ im Sinne von § 254 I BGB darauf an, dass der Geschädigte seine Güter nicht geschützt hat, obwohl es ihm möglich und zumutbar war? Oder kommt es darauf an, dass der Geschädigte seine Güter nicht geschützt hat, obwohl ein allgemeines Verkehrsbewusstsein bestand, dass er diese hätte schützen „müssen“? Die Anmerkung begründet, dass es allein auf die Zumutbarkeit einer Schutzmaßnahme ankommen kann. Die allgemein konsentierte Grundformel, dass demjenigen ein Mitverschulden anzulasten ist, der die Sorgfalt eines ordentlichen und verständigen Menschen außer acht lässt, fordert eine Wertung. Diese Formel lässt sich nicht in eine beschreibende Formel übersetzen, die nach einem tatsächlich vorhandenen Verkehrsbewusstsein sucht. Die Formel vom allgemeinen Verkehrsbewusstsein ist daher schon keine Konkretisierung des Maßstabs des ordentlichen und verständigen Menschen sondern ein aliud. Die Formel des allgemeinen Verkehrsbewusstseins verleitet ferner zu einer Reihe von Rechtsanwendungsfehlern. Sie legt den schwer zu begründenden Schluss aus einem tatsächlichen Verhalten auf eine Überzeugung nahe. Das Kriterium des allgemeinen Verkehrsbewusstseins verleitet dazu, nur allseits bekannte Schutzmaßnahmen zu fordern, obwohl man von Menschen, die gefährliche Tätigkeiten betreiben, auch größeren Aufwand bei der Suche nach Schutzmaßnahmen fordern kann. Durch das allgemeine Verkehrsbewusstsein fließt alte Rechtsprechung, die die bestehende Verkehrsauffassung erst generierte oder festigte, unreflektiert in die neue Auslegung des Sorgfaltsmaßstabs ein. Schließlich gelingt die notwenige Koordination der Sorgfaltsanstrengungen von Schädiger und Geschädigtem besser unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit als unter dem statischen Gesichtspunkt des Verkehrsbewusstseins. Die Zumutbarkeitsprüfung gewährleistet schließlich, dass die Parteien die zur Beurteilung des Verhaltens notwenige Information auch tatsächlich in den Prozess einbringen.