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Abstract:
Erwächst die Bedeutung von Sprache aus ihrem Gebrauch als ein Werkzeug, um andere Menschen zu einer Handlung zu bewegen? Trifft diese Annahme aus Wittgensteins Werk zu, könnte die Überlegung auch beim Wiedererlangen des Sprachvermögens nach einem Schlaganfall eine Rolle spielen. So sollte sich die Behandlung chronischer Aphasien als wirksamer erweisen, wenn Übungen weniger der äußerungszentrierten Verwendung, sondern vielmehr der kommunikativ-pragmatischen Einbettung von Sprache in soziale Interaktion dienen. Dieser Vortrag widmet sich neueren randomisiert-kontrollierten Studien zu äußerungszentrierten und kommunikativ-pragmatischen Verfahren in der Aphasietherapie (Flöel & Stahl, 2019). Verglichen werden zwei der weltweit am besten untersuchten Behandlungsprogramme: die Melodische Intonationstherapie (Albert et al., 1973) und die Intensive Language-Action Therapy (Difrancesco et al., 2012). Nach Melodischer Intonationstherapie zeigen Forschungsergebnisse bei chronischen Aphasien in standardisierten Tests einerseits einen ausbleibenden Lerntransfer auf ungeübte Leistungsbereiche (van der Meulen et al., 2016); nach Intensive Language-Action Therapy bestätigen Daten andererseits eine erfolgreiche Übertragung der Behandlungsinhalte auf die verbale Kommunikation im Alltag (Stahl et al., 2018). Eine Erklärung für diese gegenläufigen Befunde könnte im Ansatz der jeweiligen Methode begründet liegen. Denn anders als in der Melodischen Intonationstherapie ist der Gebrauch von Sprache in der Intensive Language-Action Therapy vor allem ein Mittel zu sozialer Interaktion; die Erreichung eines Handlungsziels ist entscheidend, nicht die Tätigung einer Äußerung als solche. Der Vortrag schließt mit einem Ausblick auf derzeitige Anstrengungen, um kommunikativ-pragmatische Fähigkeiten nach einem Schlaganfall kreativ in der klinischen Praxis einzusetzen.