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Abstract:
Dies ist die erste eingehende, aufgrund archivalischer Quellen erarbeitete Studie der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) im Kontext der deutschen Vereinigung. Detailliert besprochen werden sowohl die wissenschaftspolitischen Dimensionen der deutschen Vereinigung selbst als auch die Positionierung der MPG in diesem Zusammenhang. Es wird exemplarisch gezeigt, wie die Beziehungen von Wissenschaft und Politik in politischen Umbruchzeiten neu verhandelt werden sowie Implikationen der These ausgelotet, dass Wissenschaft und Politik als Ressourcen füreinander zu begreifen sind. Politik wird dabei nicht nur außerhalb der MPG verortet; vielmehr wird auch von wissenschaftspolitischen Debatten im Senat und von Wandlungen der Machtverhältnisse innerhalb der Institution die Rede sein.
Besprochen werden unter vielem anderen die Ablehnung einer »Konvergenz« der Wissenschaftssysteme der Bundesrepublik und der DDR durch MPG-Präsident Heinz Staab und seinen Nachfolger Hans F. Zacher mit Unterstützung prominenter ostdeutscher Wissenschaftler im Juni 1990; das darauffolgende, überwiegend autonom gesteuerte Engagement der MPG in den neuen Bundesländern (NBL) in mehreren Formaten und Personenkonstellationen; die strategische Mobilisierung der Regierungen der NBL durch die MPG-Leitung infolge der Finanzkrise des Bundes 1992–1993, um die bis dahin beschlossenen Gründungen von Max-Planck-Instituten dort umzusetzen; und die durch politischen Druck des Bundes ab 1993 angestoßene zweite Welle von Institutsgründungen in den NBL. Bis 1995 war das Ergebnis von alledem für die MPG sichtbar: eine spektakuläre Ausweitung ihrer Tätigkeit in den NBL einerseits und eine umfassende Spar- und Konsolidierungspolitik in den alten Bundesländern andererseits.
Ihr Festhalten an vertrauten Prozedere für Neuvorhaben brachte der MPG häufig den Vorwurf ein, in den neuen Bundesländern »zögerlich« gehandelt zu haben. Tatsächlich hat die MPG die politische Wende als Chance genutzt, aus der empfundenen Stagnation der 1980er Jahre auszubrechen und dabei eine bemerkenswerte Dynamik und Flexibilität an den Tag gelegt. Allerdings waren innovative Schritte wie die Gründung von 27 MPG-Arbeitsgruppen an den Universitäten der NBL ab 1991 und die Betreuung von sieben geisteswissenschaftlichen Forschungszentren auf Empfehlung des Wissenschaftsrats ab1992 befristet. Längerfristige Initiativen wie die Gründung von neun Max-Planck-Instituten und einem großen Teilinstitut in den NBL bis 1995 und insgesamt 18 Instituten bis 1998 wurden hingegen überwiegend als nachzuholende Innovationen auf dem jeweiligen Forschungsfeld argumentiert und vollzogen.