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  Fortgeschrittene instrumentelle Methoden zur Kristallstrukturanalyse

Nöthling, N. (2021). Fortgeschrittene instrumentelle Methoden zur Kristallstrukturanalyse. PhD Thesis, Universität Duisburg-Essen, Duisburg-Essen.

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Nöthling, Nils1, Author           
Affiliations:
1Service Department Lehmann (EMR), Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Max Planck Society, ou_1445625              

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 Abstract: Gegenstand dieser Arbeit war die Entwicklung fortgeschrittener instrumenteller Methoden zur Kristallstrukturanalyse mit dem Ziel, neue Forschungsgebiete auf dem Gebiet der chemischen Kristallographie zu erschließen. Die Technik der in situ Kristallisation von (bei Raumtemperatur) flüssigen Verbindungen wurde weiterentwickelt und erstmalig zur Bestimmung der absoluten Konfiguration chiraler Moleküle (welche flüssig bei Raumtemperatur sind) angewendet. Darüber hinaus wurde ein neues Instrument für Beugungsexperimente an Einkristallen gebaut, welches auf einer neuartigen Hochleistungsquelle für Röntgenstrahlen (MetalJet) und einem energiediskriminierenden Detektor mit CdTe-Technologie basiert. Dieses System ermöglicht die Nutzung einer neuen und bisher unerprobten Wellenlänge für die Kristallstrukturanalyse.

In dieser Arbeit wurden die Kristallstrukturen von neun, bei tiefer Temperatur kristallisierten Flüssigkeiten bestimmt. Es wurde gezeigt, dass die Methode der in situ Kristallisation erfolgreich auf die Bestimmung der absoluten Konfiguration von chiralen Molekülen angewendet werden kann. Dies ist nach bestem Wissen und Gewissen bisher nicht in der Literatur beschrieben und eröffnet vielversprechende neue Anwendungsgebiete. Die thermischen Eigenschaften der Verbindungen wurden vorab mittels Differential Scanning Calorimetry (DSC) untersucht. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden bereits in der Literatur zitiert, was ihre Relevanz verdeutlicht.

Die Kristallstrukturen der beiden Grundstoffe Essigsäureanhydrid und Adiponitril wurden bei niedriger Temperatur bestimmt. Die hier gefundenen Molekülstrukturen wurden mit den Ergebnissen aus Gasphasen-Elektronenbeugung, IR- und Mikrowellen-Spektroskopie sowie theoretischen Rechnungen verglichen. Im Festkörper nimmt Essigsäureanhydrid eine nicht planare C2-Konformation ein, möglicherweise als Folge des Zusammenspiels von sterischer Hinderung und Dipol-Dipol-Abstoßung. In ähnlicher Weise nimmt das Adiponitril im Festkörper die gauche-anti-gaucheC2-Konformation an und nicht, wie man erwarten könnte, die anti-anti-antiC2h-Konformation.

Die Kristallstrukturen zweier bei Raumtemperatur flüssiger, stark luft- und feuchtigkeitsempfindlicher Organoaluminium-Verbindungen wurden ebenfalls bestimmt. Die Kristallstrukturen enthüllten Details, warum die Al-N-Verbindungen als Frustrierte-Lewis-Paare bei der Aktivierung von molekularem Wasserstoff reagieren.Weiterhin konnte der sterische Einfluss der Liganden auf die Koordinationsgeometrie untersucht werden. Verbindungen mit sterisch anspruchsvollen Liganden (z. B. tert-Butyl) zeigen eine nahezu ideale trigonal-planare D3h-Koordinationsgeometrie, während die dimeren Verbindungen verzerrten C3v-Tetraedern oder C2v-Oktaedern entsprechen.

Die fünfgliedrigen aromatischen heterocyclischen Verbindungen bestehen aus vier Kohlenstoffatomen und einem Nicht-Kohlenstoffatom (z. B. Chalkogen). Sie werden für verschiedene Anwendungen eingesetzt, im industriellen Maßstab hergestellt und wurden bisher größtenteils noch nicht mit kristallographischen Methoden untersucht. Bei den Untersuchungen zeigte sich, dass der Substituent einen großen Einfluss auf die Packung im Kristall und somit auf die Raumgruppe hat. Auch die Variation des Heteroatoms beeinflusst die Packungsdichte und die Ringstruktur. Das Ersetzen von O durch S (X) im Ringsystem der
2-methyl substituierten Heterocyclen führt zu einer deutlichen Verlängerung der
X-C-Bindungen um 0,341 und 0,346 Å und einer Aufweitung des C-X-C-Winkels von 92,63 auf 106,40°. Aus den Untersuchungen gehen weiterhin verschiedene intermolekulare Wechselwirkungen im Festkörper hervor. Hierzu zählen schwache Wasserstoffbrückenbindungen (z. B. Furan-2-carbonitirl) und Chalkogen-Chalkogen-Wechselwirkungen (z. B. 2-Methylthiophen). Im Fall des Thiophens konnte eine potentielle neue Phase (Polymorph) gefunden werden. Die Beobachtung, dass Furfuryl und 2-Methylfuran in chiralen Raumgruppen kristallisieren, führte zu der Idee, die in situ Kristallisation als einfache Methode zur Bestimmung der absoluten Konfiguration von Flüssigkeiten mit Stereozentrum zu verwenden.

Um die Machbarkeit zu demonstrieren, wurden daher die Kristallstrukturen mehrerer flüssiger chiraler Verbindungen untersucht und deren absoluten Konfigurationen bestimmt. Die erste untersuchte Struktur dieser Art war die (S)-2-Chlorpropionsäure. Erfreulicherweise führte die Kristallisation zu qualitativ hochwertigen Kristallen und es konnte gezeigt werden, dass die Bestimmung der absoluten Konfiguration von Flüssigkeiten mit einem Atom der Ordnungszahl OZ > 9 mit dieser Technik möglich ist. Die Methode wurde anschließend auf ein praktisches Beispiel (tert-Butyl-(S)-2-fluor-2-phenylacetat) angewendet, das zum Verständnis der enantioselektiven Cu-katalysierten Reaktion von α-Diazoestern zu α-Fluorestern beitrug. Basierend auf diesen beiden erfolgreichen Untersuchungen wurde die Methodik auf anspruchsvollere Verbindungen mit noch leichteren Atomen (OZ < 9) angewendet. In beiden Fällen konnten Kristalle erhalten werden, deren Qualität es erlaubte, die absolute Konfiguration der Moleküle erfolgreich zu bestimmen. Die Ergebnisse zeigen, dass die hier beschriebene Methode der in situ Kristallisation geeignet ist, die absolute Konfiguration von Molekülen mit einem Stereozentrum korrekt zu bestimmen. Hierdurch wird ein neues und breites Anwendungsfeld in den Bereichen der Duft- und Geschmacksstoffe sowie für pharmakologisch aktive Substanzen eröffnet. Die Technik bietet eine einfache und kostengünstige Alternative zu etablierten Routinen wie optischer Rotationsdispersion, Vibrationszirkulardichroismus, UV/VIS-Spektroskopie, Verwendung von chiralen Verschiebungsreagenzien in 1H-NMR und Coulomb-Explosionsbildgebung.

Im Zuge dieser Arbeit wurde beobachtet, dass einige Verbindungen bei tiefen Temperaturen in einen amorphen Zustand übergehen. In anderen Fällen wurden komplexe Mehrphasensysteme beobachtet. Solche Beispiele schränken die Anwendung der in situ Kristallisation für die Strukturbestimmung ein. Alternative Methoden (z. B. PXRD, PDF, SAXS) können verwendet werden, um strukturchemische Informationen zu erhalten. Allerdings liefert keine dieser Methoden Informationen über die absolute Konfiguration. Hochdruck-Untersuchungen wurden bereits erfolgreich verwendet, um neue Phasen zu erhalten. Dies geht über den Rahmen dieser Arbeit hinaus und wird in folgenden Projekten eingehender untersucht. Chemische Alternativen zur Umgehung von Phasenübergängen bieten Crystal Engineering-Methoden oder die Verwendung von MOFs (Metal Organic Framework).Diese beiden Optionen verunreinigen jedoch die zuvor saubere Substanz und erfordern weitere Reinigungsschritte.

Ein neues Diffraktometer-System basierend auf einer Hochleistungs-Röntgenquelle (MetalJet) wurde aufgebaut. Aktuelle verfügbare Systeme mit MetalJet-Technologie verwenden flüssiges Gallium als Target-Material und liefern daher eine Primärstrahl-Wellenlänge von 1,340 Å (9,251 keV). Ein Ziel dieser Arbeit war es, sich die Tatsache zunutze zu machen, dass Indium eine signifikante Löslichkeit in Gallium aufweist und eine attraktive charakteristische Kα-Wellenlänge von 0,512 Å (24,209 keV) aufweist. Hierdurch ergibt sich die Möglichkeit, nahezu absorptionsfreie Beugungsintensitäten mit optimaler Auflösung (d < 0,5 Å) zu erhalten. Ein solches Gerät ist derzeit nicht kommerziell erhältlich und musste somit eigenständig entwickelt werden. Das System wurde dann aus einzelnen Komponenten zusammengebaut, der Strahlenschutze sichergestellt und grundlegend charakterisiert.

Im ersten Schritt wurden die Röntgenquelle und die weiteren Komponenten ausgewählt und konstruiert. Für die Röntgenquelle wurde die Firma Excillum AB kontaktiert, um die Machbarkeit der Verwendung einer ternären Legierung (Ga, In, Sn) mit hohem Indium-Anteil in der MetalJet-Quelle zu untersuchen. Wie die meisten Labor-Röntgenquellen liefert die MetalJet-Quelle einen divergenten Röntgenstrahl. Um dennoch eine maximale Photonenflussdichte am Kristall zu erreichen, wurden gekrümmte Spiegeloptiken verwendet. Es wurden Montel-Spiegel gewählt, da sie sowohl eine Monochromatisierung (je ein Satz für Ga Kα und In Kα) als auch eine Fokussierung des Primärstrahls ermöglichen. Ein einachsiges φ-Goniometer wurde wegen seiner Einfachheit und der hohen Präzision gewählt, um den Kristall im Primärstrahl zu bewegen. Für die Messung der Reflex-Intensitäten wurde ein schneller, rauschfreier Hybrid-Pixel-Detektor auf Basis der CdTe-Technologie ausgewählt. Dieser bietet neben einer hervorragenden Empfindlichkeit die Möglichkeit zur Messung mit Energiediskriminierung. Darüber hinaus wurden weitere Baugruppen (Absorber, Blenden, Kollimator, Primärstrahlblende, Justierhilfen, etc.) zur Verbesserung der Primärstrahlqualität und des Beugungsaufbaus entwickelt.

Nachdem das Grundkonzept für das System bestand, wurden die einzelnen Komponenten spezifiziert und beschafft (siehe Anhang 11.2). Da in der Quelle drei verschiedene Elemente (Ga, In und Sn) simultan angeregt werden, stellt die Separation ihrer charakteristischen Strahlungsanteile hohe Anforderungen an die verwendeten Röntgenoptiken. Nachdem die Quelle und das Gehäuse aufgebaut waren, musste der Strahlenschutz der Anlage sichergestellt werden. Nach Erteilung einer Betriebserlaubnis durch die Aufsichtsbehörden wurden das Goniometer und die Strahlcharakteristik der Quelle näher untersucht. Eine maximale Photonenflussdichte und eine hohe spektrale Reinheit dienten als Optimierungskriterien. Die Optimierung erfolgte unter Verwendungen von verschiedenen Röntgendetektionssystemen (SDD, Si-PIN-Diode und CCD-Kamera).

Nach dem vollständigen Bau des Instruments wurden die Spiegeloptik grob auf das gewünschte Primärstrahlprofil vorjustiert. Weitere Messungen ergaben einen deutlichen Einfluss der Feinpositionierung der Spiegeloptiken (insbesondere des In Kα-Spiegels) auf die spektrale Reinheit. Nach der Optimierung lieferte der In Kα-Spiegel einen intensiven Primärstrahl, der jedoch aus zwei charakteristischen Wellenlängen bestand (In Kα 0,512 Å und Sn Kα 0,491 Å). Durch die zwischenzeitliche Verwendung geeigneter Absorber (Al, Pd) konnte eine akzeptable spektrale Reinheit erreicht werden. Nach der Charakterisierung der Spiegelpositionen folgten Untersuchungen zum Einfluss der Quellenparameter auf die Primärstrahlcharakteristik. Dieses Vorgehen führte zu den erwarteten Einflüssen auf die Photonenflussdichte und die spektrale Verteilung. Der Fokuspunkt der Montel-Spiegel wurde experimentell bestimmt. Die maximalen Photonenflussdichten an der Probe wurden ebenfalls bestimmt. Es wurde ermittelt, dass die maximalen Photonenflussdichten phimax (Ga Kα) = 5 10^11 1/(s mm²) und phimax (In Kα) = 7,4 10^9 1/(s mm²) betragen. Die gefundenen Werte entsprechen den Anforderungen und ähneln denen moderner Synchrotron-Anlagen.

Der letzte Schritt bestand darin, Beugungsdaten von verschiedenen Einkristallen zu messen. Dazu wurden Saccharose und Kupfer(II)sulfat-Pentahydrat ausgewählt. Es wurden mehrere Beugungsdatensätze der Kristalle unter verschiedenen Bedingungen aufgenommen. In der anschließenden Datenanalyse konnten Reflexionen identifiziert und indiziert werden. Dies erlaubte es, die Elementarzellenparameter zu bestimmten. Die Indizierung konnte mit beiden Wellenlängen (Ga Kα- und In Kα-Strahlung) erreicht werden. Die reziproken Gitter zeigen eine periodische dreidimensionale Struktur und die Gitterkonstanten stimmen mit Referenzwerten aus der Literatur überein. An einem ausgewählten Datensatz (Kupfersulfat (II)-Pentahydrat mit In Kα-Strahlung) wurde anschließend eine Strukturlösung und -verfeinerung durchgeführt. Eine Strukturlösung mit Standardprogrammen war initial nicht möglich, da mehrere schlecht bestimmte Reflexe (wahrscheinlich verursacht durch schlechte Ausrichtung/Justage) im Datensatz enthalten waren. Diese Ausreißer konnten jedoch durch die Eingabe von literaturbekannten Atomkoordinaten identifiziert und aus dem Datensatz entfernt werden. Zwischen den Verfeinerungszyklen wurden systematisch die Reflexe mit einem I/σ(I) > 10 aus dem Modell entfernt. Im Gegensatz zu den Originaldaten konnte der somit bereinigte Datensatz dann mit den gängigen Programmen zur Strukturlösung bearbeitet werden. Die Daten der MetalJet-Quelle konnten auf akzeptable Werte verfeinert werden (R1-Wert = 6,38%). Dies zeigt, dass das neue Instrument grundsätzlich für Beugungsexperimente an Einkristallen geeignet ist. Der erfolgreiche Einsatz der In Kα-Strahlung erweitert die im Labor zugänglichen Wellenlängen in den hochenergetischen Bereich, sodass Beugungsdaten weitgehend frei von Absorptionseffekten und bei hoher Auflösung erfasst werden können.

Aufgrund der hohen Intensität der neuen Röntgenquelle werden sich die Messzeiten, im Vergleich zu herkömmlichen Geräten, von Stunden auf Minuten verkürzen. Die Untersuchung kleiner Kristalle (Kantenlänge < 50 µm) scheint bei beiden Wellenlängen möglich zu sein. Um das System weiter zu verbessern, wird das Instrument in nachfolgenden Arbeiten um ein mehrachsiges Goniometer, eine Tieftemperatureinheit und eine GUI-basierte Steuerungssoftware erweitert. Obwohl die Messzeiten bereits kurz sind, sollte es möglich sein, den Probendurchsatz durch einen automatischen Probenwechsler (Roboterarm) und einen automatisierten Goniometerkopf (AGH) weiter zu steigern.

Besonders die Kombination der beiden fortgeschrittenen instrumentellen Methoden (Hochleistungs-Röntgenquelle mit Ga Kα-Strahlung und die in situ Kristallisation) wird in Zukunft zu umfassenden und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen in vielen Bereichen führen.

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Language(s): deu - German
 Dates: 2021-10-152021-10-15
 Publication Status: Issued
 Pages: 242
 Publishing info: Duisburg-Essen : Universität Duisburg-Essen
 Table of Contents: -
 Rev. Type: -
 Identifiers: -
 Degree: PhD

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