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Abstract:
Thema: Viele alltägliche Situationen erfordern das Verarbeiten der zeitlichen Dauer von
Ereignissen. Doch obwohl die Verarbeitung von Zeitdauer ein vertrautes Phänomen darstellt, ist
ihre neurokognitive Realisierung bis heute kaum transparent geworden. Die Wahrnehmung, Evaluation
und Speicherung zeitlicher Information sowie ihr Wiederabruf aus dem Gedächtnis sind
Funktionen des Arbeitsgedächtnisses (working memory), einer Struktur, die aus der Umgebung
aufgenommene und aus dem Langzeitgedächtnis abgerufene perzeptive und motorische Information
einem kontinuierlichen Aktualisierungsprozeß unterzieht. Das Arbeitsgedächtnis ist kein unitäres
System, sondern besteht aus mehreren, unabhängigen oder partiell unabhängigen funktionalen
Einheiten, die parallel aktiv sind und jeweils auf die Verarbeitung einer bestimmten Informationsform
spezialisiert sind.
Die vorliegende Arbeit untersucht die Annahme, daß das kurzzeitige Behalten von Zeitdauerinformation
als eine distinkte Arbeitsgedächtnisfunktion aufzufassen ist. Der spezifische Beitrag der
Arbeit besteht dabei darin, die Behaltensprozesse von Zeitdauerinformation und Raumlokalisationsinformation
funktional und neurophysiologisch voneinander abzugrenzen.
Leitfragen: (1) Sind die zeitliche Dauer und die räumliche Lokalisation eines Stimulus Informationen,
die im Arbeitsgedächtnis unabhängig voneinander verarbeitet werden?
(2) Und wenn ja: Wie wird Dauerinformation im Arbeitsgedächtnis verarbeitet?
Untersuchung: Die Überprüfung dieser Annahme gliederte sich in zwei Stufen, die sich unterschiedlicher
Methoden bedienen.
Zunächst wurde auf behavioraler Ebene mit dem Doppelaufgaben-Interferenzparadigma (dual task
paradigm) die Hypothese einer (doppelten oder einfachen) Dissoziation überprüft. Die Ergebnisse
der behavioralen Experimente wiesen auf eine einfache Dissoziation zwischen der zeitlichen und
der räumlichen Informationsverarbeitung hin. Nach den Gegebenheiten des Doppelaufgaben-Interferenzparadigmas
sprach dieses Ergebnis für eine Unabhängigkeit der Behaltensfunktionen zeitlicher
Dauerinformation und räumlicher Lokalisationsinformation.
Auf neurophysiologischer Ebene wurden daraufhin die mit den beiden kognitiven Funktionen einhergehenden
elektrophysiologischen Aktivationsmuster anhand von Ereigniskorrelierten Potentialen
(EKP) untersucht. Die Ergebnisse der EKP-Studie zeigten, daß das Behalten zeitlicher Dauerinformation
und das Behalten räumlicher Lokalisationsinformation mit topographisch distinkter elektrophysiologischer
Aktivität einhergehen. Das Ergebnis der behavioralen Experimente wurde damit auf
neurophysiologischer Ebene bestätigt.
Ergebnisse: Im Hinblick auf Frage (1) kann aufgrund der vorliegenden Experimente eine
Unabhängigkeit der Behaltensfunktionen von Lokalisation und Dauer eines Stimulus angenommen
werden. Im Hinblick auf Frage (2) weisen die Ergebnisse der EKP-Studie darauf hin, daß das
Behalten der zeitlichen Dauer eines Stimulus eine Funktion des Präfrontalen Cortex (PFC) ist.