Abstract
Natürliche Selektion wird als der Schlüsselprozess der Evolution betrachtet
und trägt maßgeblich zur Anpassung von Arten an ihre Umwelt bei. Während
Selektion auf der Ebene des Phänotyps unzählige Male nachgewiesen wurde,
ist die Frage nach der genetischen Basis selektiver Prozesse immer noch zu
großen Teilen ungeklärt. Im Zentrum der modernen Evolutionsbiologie steht
deshalb die Frage, wie Genotyp und Phänotyp ursächlich zusammenhängen.
Molekulargenetische Techniken ermöglichen es uns heute, genetische Marker
zur Suche nach Selektion zu verwenden. Marker, die räumlich nahe
bestimmter Gene liegen, spiegeln die durch Selektion entstandenen
Veränderungen dieser Gene wieder. Beim ‚Genome Scanning’ werden
zahlreiche Genloci in verschiedenen Populationen untersucht. Das Ziel ist,
Unterschiede in der Populations-Differenzierung verschiedener Loci zu
ermitteln. Loci, die von der Neutralität abweichendes Verhalten aufweisen,
werden als Kandidaten für Loci unter Selektion identifiziert.
Ich entwickelte erstmals in einer marinen Blütenpflanze, dem großen Seegras
Zostera marina, 14 EST-Mikrosatelliten und kombinierte diese einem
‚Genome Scan’ mit 11 anonyme Mikrosatelliten. Während anonyme
Mikrosatelliten zufällig im Genom verstreut liegen, sind EST-Mikrosatelliten
eng an bekannte Gene gekoppelt.
Ich untersuchte drei Z. marina-Populationspaare, deren Standorte sehr
unterschiedliche Umweltbedingungen aufwiesen. Der Habitatkontrast hatte
erkennbare Auswirkungen auf morphologische Eigenschaften und Life-
History-Traits der Pflanzen, eventuelle genetische Unterschiede sollten mit
Hilfe des ‚Genome Scans’ erfasst werden. In diesem neuartigen
Versuchsdesign, das drei Replikate des Versuchsansatzes beinhaltete,
identifizierte ich Loci mit von der Neutralität abweichendem Verhalten mittels
zweier verschiedener Methoden. Die beiden verwendeten Modelle gehen von
verschiedenen Voraussetzungen aus und identifizieren daher
unterschiedliche Loci als Kandidaten für Loci unter Selektion. Außerdem
untersuchte ich, ob sich anonyme und gengekoppelte Mikrosatelliten im
Ausmaß ihrer Populationsdifferenzierung unterschieden.
Meine Ergebnisse weisen darauf hin, dass bei Z. marina kein Unterschied im
Verhalten von gengekoppelten und anonymen Mikrosatelliten auftritt. ESTMikrosatelliten
zeigten weder eine geringere noch eine stärkere
Differenzierung als anonyme Mikrosatelliten und wurden auch nicht häufiger
als Kandidaten für Loci unter Selektion identifiziert.
Ich konnte zwei anonyme und drei gengekoppelte Mikrosatelliten
identifizieren, deren Verhalten nicht mit der Selektionsneutralität
übereinstimmte. Von den drei gengekoppelten Mikrosatelliten war einer an
eine saure Phosphatase gekoppelt, ein Locus lag nahe bei dem Gen eines
unbekannten Proteins. Der Interessanteste Kandidat für einen Locus unter
Selektion ist der Mikrosatellit C_P07_28, welcher an das Gen eines Nodulins
gekoppelt ist. Noduline sind Proteine aus der Gruppe der Aquaporine, welche
Wasserkanäle in Zellmembranen bilden. Es ist wahrscheinlich, dass die
divergierende Selektion, die zu der Differenzierung an diesem Locus geführt
hat, in Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt von Z. marina steht.
Meine Ergebnisse zeigen, dass mit Hilfe von ‚Genome Scans’ die genetischen
Hintergründe ökologischer Anpassungen beleuchtet werden können. Da
‚Genome Scans’ verwendet werden können, um Gene zu identifizieren, die
bei der Anpassung natürlicher Populationen eine Rolle spielen, sind sie ein
wertvolles Mittel für das Management ökologisch wertvoller oder bedrohter
Arten.