Abstract
Wie lässt sich erklären, dass die Besteuerung von Erbschaften so vehementen politischen Widerstand hervorruft? In dem Artikel wird die These verfolgt, dass weder ökonomischfunktionalistische Erklärungen noch der „Interessengruppenansatz“ befriedigende Antworten auf diese Frage geben. Vielmehr zeigt sich, dass Erbschaften und ihre Besteuerung in einer besonders konfliktträchtigen Weise mit den Wertordnungen moderner Gesellnschaften verknüpft sind. Dies gilt einerseits infolge der Verbindung von Erbschaften mit dem Tod und der persönlichen Identität von Erblasser und Erben. Andererseits ist dem so, weil die Vermögensvererbung unterschiedliche und zum Teil im Widerspruch zueinander stehende Wertprinzipien berührt. Unterschieden wird in dem Arntikel zwischen dem Familienprinzip, dem Gleichheitsprinzip, dem Gerechtigkeitsprinzip und dem Gemeinschaftsprinzip. Sie spielen im politischen Diskurs um die Erbnschaftsbesteuerung in den USA und in Deutschland eine jeweils unterschiedliche Rolle. Es lässt sich jedoch beobachten, dass Elemente des amerikanischen Diskurses in Deutschland an Bedeutung gewinnen.
What is it that explains the severity of political resistance against estate taxation? This article follows the thesis that neither economic-functionalist explanations nor the interest group approach can answer this question satisfactorily. Instead, it argues that bequests and their taxation relate in a highly charged and especially conflicting way to the value-orders of modern societies. This holds true, firstly, due to the connection of bequests with death as well as with the personal identity of the person who leaves the inheritance and of the heirs. Secondly, the bequest of wealth touches upon different and partly contradictory value principles. The article distinguishes between the family principle, the equality principle, the fairness principle and the community principle. These principles play different roles in political discourses on estate taxation in Germany and the United States. It can be observed, however, that elements of the American discourse become increasingly more important also in Germany.