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Contribution to Commentary

§§ 387-396. Aufrechnung

MPS-Authors
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Zimmermann,  Reinhard
MPI for Comparative and International Private Law, Max Planck Society;

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Citation

Zimmermann, R. (2007). §§ 387-396. Aufrechnung. In M. Schmoeckel, J. Rückert, & R. Zimmermann (Eds.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. II: Schuldrecht: Allgemeiner Teil, 2. Teilband (pp. 2179-2249). Tübingen: Mohr.


Cite as: https://hdl.handle.net/11858/00-001M-0000-0019-CC3C-2
Abstract
Insgesamt wird sich im Rückblick auf über einhundert Jahre Erfahrung mit dem BGB sagen lassen, dass die Regelung der §§ 387 ff. im wesentlichen gelungen ist. Das gilt insbesondere für die Grundkonzeption der Aufrechnung: zwei einander gegenüberstehende Verbindlichkeiten erlöschen aufgrund einer einseitigen, formlosen und außergerichtlichen Erklärung. Das BGB entschied insoweit gegen die Pandektenlehre, aber in Übereinstimmung mit der im 19. Jahrhundert etablierten Praxis der Gerichte. Damit gelang es, das geltende Recht von einer der großen, jahrhundertealten Streitfragen des Gemeinen Rechts zu entlasten. Stützen konnte sich der Gesetzgeber auf den ebenso gründlich wie überzeugend motivierten Vorentwurf von Franz Philipp von Kübel, aber auch auf die Kodifikationen und Kodifikationsentwürfe im deutschsprachigen Raum der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es ist deshalb auch nicht überraschend, dass das deutsche Modell der Aufrechnung einen Siegeszug durch Europa antrat. Ihm sind gefolgt das österreichische Recht (obwohl § 1438 ABGB die naturrechtliche Lehre der ipso iure-Wirkung der Aufrechnung zugrunde liegt), ferner das griechische und das neue niederländische Gesetzbuch. Auch im italienischen Recht erfreut sich diese Form der Aufrechnung (trotz Art. 1242 Codice civile von 1942) verbreiteter Unterstützung. Das Schweizerische OR von 1912 entscheidet in demselben Sinne und perpetuiert damit die bereits im alten Obligationenrecht von 1881 getroffene Entscheidung. Berücksichtigt man zudem, dass auch im französischen Recht entgegen dem naturrechtlich inspirierten Ausgangspunkt des Art. 1290 Code civil dem Aufrechnungswillen entscheidende Bedeutung beigemessen wird und dass schließlich sogar in England die Aufrechnung im Begriff ist, ihre prozessualen Eierschalen abzustreifen und zu einem einheitlichen Institut des materiellen Rechts zu werden, bei dem zunehmend die Möglichkeit einer Aufrechnung im Wege einer auch außerprozessualen Willenserklärung anerkannt wird, so lässt sich hier in der Tat von einer „convergence avancée“ der europäischen Rechtsordnungen sprechen, die sich denn auch in den Artt. 13:101 ff. PECL widerspiegelt. Bezüglich der Tatbestandsvoraussetzungen der Aufrechnung bestand sowieso seit jeher weithin Einigkeit unter den europäischen Rechtsordnungen. Der zentrale Punkt, in dem die Principles of European Contract Law von dem Modell des BGB abweichen, betrifft die Frage der Rückwirkung der Aufrechnung. Hier hat sich gezeigt, dass auch das BGB insoweit noch im Schatten der Rechtsgeschichte – und das heißt in diesem Falle: eines jahrhundertealten Missverständnisses des römischen Rechtes – steht: die Aufrechnung wirkt ipso iure in dem Sinne, dass es zum Erlöschen der Forderungen bereits mit Eintritt der Aufrechnungslage kommt. Auch als im Verlaufe des 19. Jahrhunderts die Bedeutung einer Geltendmachung der Aufrechnung immer stärker in den Vordergrund rückte, blieb diese Vorstellung als irgendwie im Wesen der Aufrechnung begründet lebendig. Die Affektionstheorie war ein intellektuell besonders anspruchsvoller Versuch, das Spannungsverhältnis zwischen Aufrechnungslage und Geltendmachung der Aufrechnung im Gemeinen Recht dogmatisch zu erfassen. Das BGB arbeitet insoweit mit einer Fiktion der Rückwirkung. Dazu heißt es freilich bereits bei Windscheid, dem Vater der Affektionstheorie: „Ich glaube aber, dass man die Kategorie der Rückwirkung vermeiden soll, wo man es kann“. Dass man dies im Falle der Aufrechnung nicht könne, ist nie überzeugend nachgewiesen worden. Vielmehr stützen sich die Befürworter der Rückwirkung auf nicht näher substantiierte Billigkeitsargumente und Spekulationen, auf die Logik des „es war schon immer so“ sowie auf das angeblich schutzwürdige Vertrauen der Parteien auf das Bestehen einer Aufrechnungslage. Doch solange sich eine Partei nicht bewusst ist, durch Erklärung der Aufrechnung Befriedigung erlangen zu können, besteht kein Vertrauen, das zu schützen wäre. Sobald sich eine Partei aber über die Aufrechnungsmöglichkeit klar wird, sollte die Rechtsordnung sie ermutigen, die Aufrechnung so rasch wie möglich zu erklären. Denn der vor der Aufrechnungserklärung bestehende Schwebezustand ist unter dem Gesichtspunkt der Klarheit und Rechtssicherheit unerwünscht.