MPIfG Working Paper 02/4, März
2002
Deutschland AG a.D.: Deutsche Bank, Allianz und das
Verflechtungszentrum großer deutscher Unternehmen*
Jürgen Beyer
Dr. Jürgen Beyer ist Wissenschaftler
am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln.
Abstract
The term "Deutschland AG" is a popular
label for the dense network of interlocking directorates and
ownership ties between German companies. Managers who are at
the center of the "Deutschland AG" network can influence
economic and political processes far beyond the borders of
their own companies. This long-standing, characteristic
feature of German corporate governance has been attributed to
companies' strategic interest in holding on to the comparative
advantages of the coordinated variant of capitalism. However,
the density of the network has decreased significantly in
recent years. The paper attempts to explain why two financial
companies, Deutsche Bank and Allianz, were deeply committed to
the "Deutschland AG" for long periods of time in the past and
why they have recently begun to reduce this commitment. The
case studies show that the strategic reorientation of the two
companies stems from the complex interplay of
internationalization, increased competition, changes in tax
legislation and a variety of company-specific factors.
Zusammenfassung
Der Begriff "Deutschland AG" dient als
Bezeichnung für die enge Personen- und Kapitalverflechtung von
deutschen Großunternehmen. Den Managern im Dichtezentrum
dieses Verflechtungsnetzwerks wird ein Steuerungspotential
zugeschrieben, das weit über die Unternehmens- bzw.
Konzerngrenzen hinausreicht. Die Stabilität dieser typischen
Eigenschaft der deutschen Wirtschaftsordnung wird u.a. auf das
strategische Interesse am Erhalt von komparativen Vorteilen
zurückgeführt, die dem deutschen "koordinierten Kapitalismus"
zugeschrieben werden. In den letzten Jahren ist allerdings
eine deutliche Reduzierung der Verflechtungsintensität bei
deutschen Großunternehmen festzustellen. Anhand der
traditionell am stärksten in das Verflechtungsnetzwerk
integrierten Unternehmen Deutsche Bank und Allianz wird
verdeutlicht, warum diese über extrem lange Zeiträume am
Prinzip "Deutschland AG" festgehalten haben und wieso sie
heute von dieser strategischen Orientierung abweichen. Die
Fallstudien zeigen, dass die Strategieänderungen bei Deutscher
Bank und Allianz auf Grund des Zusammenwirkens von
Wettbewerbs- und Internationalisierungseffekten,
Steuerrechtsänderungen und unternehmensspezifischen Faktoren
möglich wurden.
Inhalt
Einleitung
1Verflechtung,
Komplementarität und Unternehmensstrategien
2Deutsche
Bank
3Allianz
4Das
Verflechtungszentrum deutscher Unternehmen
5Am
Ende der "Varieties of Capitalism"?
Literatur
Einleitung
Der Begriff "Deutschland AG" ist ein
medientaugliches Etikett für die enge Personen- und
Kapitalverflechtung von deutschen Großunternehmen, wobei den
Unternehmensmanagern im Dichtezentrum dieses
Verflechtungsnetzwerkes "Deutschland AG" Steuerungspotentiale
zugeschrieben werden, die über die eigenen Unternehmens- bzw.
Konzerngrenzen hinausreichen. Die Vorstände und Aufsichtsräte
der Kernunternehmen sind in den Worten von John Scott (1987:
215) "meeting places for capitalist interests". Dieser Sicht
zufolge agieren die beteiligten Personen nicht mehr allein aus
einzelwirtschaftlichem Interesse, sondern sie berücksichtigen
auch übergeordnete gesamtwirtschaftliche Interessen.
Die Unternehmensverflechtung kann somit
als ein Teilelement einer "koordinierten" Form des
Kapitalismus angesehen werden, in dem die Unternehmen einen
Großteil ihrer Beziehungen nicht über Märkte
organisieren, der Staat ordnungspolitische Vorgaben setzt und
die Arbeitnehmer in ein System des wirtschaftlichen
Interessenausgleichs inkorporiert sind (Soskice 1999: 204) und
den man vom angloamerikanischen, stärker
wettbewerbsorientierten, "liberalen" Kapitalismus
unterscheiden kann.
In jüngster Zeit ist allenthalben von der
Konvergenz der kapitalistischen Systeme die Rede, wobei ein
höherer Änderungsdruck vor allem für die "koordinierte"
Variante postuliert wird. Im Kontext internationalisierter
Wirtschaftsbeziehungen erscheint eine institutionell
voraussetzungsvolle ökonomische Koordinierung ungeachtet ihrer
spezifischen komparativen Vorteile als gefährdet (Albert 1992;
Streeck 1997). Darüber hinaus mehren sich empirische
Einzelphänomene, wie die "feindliche Übernahme" der Mannesmann
AG, die auf einen sich vollziehenden Wandel hindeuten. So
wurde auch die angekündigte Übernahme der Dresdner Bank AG
durch die Allianz AG in der Wirtschaftspresse einhellig als
Hinweis auf das bevorstehende Ende der "Deutschland AG"
gewertet.
Was allerdings gegen die
Konvergenzerwartung spricht, ist die hohe Stabilität, die wir
gemeinhin Institutionen zuschreiben. Wirtschaftsordnungen, wie
sie die koordinierte Form des Kapitalismus darstellt, sind
hoch komplexe Institutionen- und Regelsysteme, wobei bei hoher
Komplexität auch eine hohe Stabilität angenommen werden kann.
Es müssen daher gute Gründe für radikale Änderungen -
solche stehen in der Konvergenz-Diskussion zur Debatte -
angeführt werden können, da die Stabilitätsannahme aus
theoretischen Gründen als die sicherere erscheint.[1]
Im Folgenden werden solche Gründe für das
Ende der "Deutschland AG" benannt. Die eingenommene
Perspektive aus der die Beleuchtung des Sachverhalts
vorgenommen wird, ist eine, die auf
unternehmensstrategische Orientierungen abhebt.
Angestrebt wird eine Interpretation, die verdeutlicht, warum
die Deutsche Bank und die Allianz Versicherung über lange
historische Zeiträume hinweg auf das Prinzip "Deutschland AG"
ausgerichtet waren und warum sie dieses heute nicht mehr sind.
Die Wahl der Deutschen Bank und der Allianz ist dadurch
begründet, dass es sich bei diesen beiden Unternehmen - legt
man netzwerkanalytische Kriterien an - um die am stärksten in
das Unternehmensverflechtungsnetzwerk eingebundenen
Unternehmen handelt und dies seit mehreren Jahrzehnten.
Der Text ist in fünf Teile gegliedert.
Zunächst wird auf die Besonderheit der deutschen
Unternehmensverflechtung hingewiesen und erläutert, warum die
Berücksichtung des unternehmensstrategischen Aspekts bedeutsam
ist (Teil 1). Darauf folgen die Fallbeschreibungen für die
Deutsche Bank (Teil 2) und die Allianz (Teil 3). Zur
Beleuchtung der über die Fallbeschreibung hinausreichenden
Konsequenzen wird anschließend gezeigt, dass hinsichtlich der
Personen- und Kapitalverflechtung bereits eine deutliche
Lockerung der Struktur festgestellt werden kann (Teil 4).
Abschließend erfolgt eine Bewertung der beschriebenen
Entwicklungen im Hinblick auf die Debatte um die Konvergenz
kapitalistischer Systeme (Teil 5).
1Verflechtung, Komplementarität und
Unternehmensstrategien
Die hohe Dichte und die strukturellen
Eigenschaften der Unternehmensverflechtung über Vorstands- und
Aufsichtsratsmandate sowie über Kapitalbeteiligungen gehören
zu den charakteristischen Merkmalen der deutschen
Wirtschaftsordnung. Die besonderen Koordinationschancen dieser
Verflechtungsstruktur gründen u.a. auf einer im
internationalen Vergleich ausgesprochen hohen
Verflechtungsintensität innerhalb von Wirtschaftszweigen. Die
intrasektorale Verflechtung steht darüber hinaus mit weiteren
koordinationserleichternden Merkmalen des Netzwerkes in
Zusammenhang (Windolf/Beyer 1995): mit der hohen Konzentration
des Eigentums, welche die Beherrschung von Unternehmen durch
Unternehmen zum Regelfall werden lässt (Konzernierung), mit
der zur Kapitalverflechtung teilweise parallel laufenden und
diese darüber hinaus erweiternden Personenverflechtung. Des
Weiteren mit der starken Einbindung der Finanzunternehmen in
das Netz der Kapitalverflechtung und ihrer dominanten Rolle im
Netz der Personenverflechtung, sowie der Personalunion
zwischen den formalen Interessenorganisationen (BDI, BDA) und
dem Netz der "multiplen Direktoren", den am stärksten in das
Netzwerk integrierten Personen. Den strukturellen Kern der
"Deutschland AG" bildet schließlich ein
Verflechtungszentrum, das die größten deutschen
Unternehmen in ein enges Beziehungsgeflecht einbindet, welches
in dieser Geschlossenheit in kaum einem anderen westlichen
Industriestaat zu finden ist.[2]
Deutschland gilt nicht zuletzt wegen
dieser besonderen Unternehmensverflechtungsstruktur als
typischer Fall einer koordinierten Ökonomie.
Koordinierten Ökonomien zeichnen sich des Weiteren durch ein
Produktionsregime aus, in dem die Unternehmen einen Großteil
ihrer Beziehungen nicht über Märkte organisieren, die
Finanzierung von Unternehmen auf Langfristigkeit angelegt ist,
die Unternehmen keiner aktiven Kapitalmarktkontrolle
unterliegen und die Arbeitnehmer in ein System des
wirtschaftlichen Interessenausgleichs "inkorporiert" sind
(Hall/Soskice 2001). Ein derartiges Produktionsregime wird als
vorteilhaft für die Durchführung von diversifizierten
Qualitätsproduktions-Strategien (Streeck 1991, 1997) und als
hinderlich für kurzfristig orientierte Produktmarktstrategien
angesehen (Casper 1998; Soskice 1999: 212). Darüber hinaus
werden einer koordinierten Wirtschaftsordnung komparative
Vorteile bei der Generierung von inkrementellen Innovationen
und Nachteile bei Grundlageninnovationen zugeschrieben
(Hall/Soskice 2001: 36-44).
In der Debatte um die Konvergenz der
kapitalistischen Systeme herrscht Uneinigkeit bezüglich der
Frage, ob die komparativen Vorteilslagen in spezifischen
Bereichen hinreichen, um eine Erosion der institutionellen
Differenzen zu verhindern. Der strategischen Orientierung
von Unternehmen kommt in dieser Debatte eine zentrale
Bedeutung zu.
Die Anhänger der Stabilitätsthese
argumentieren mit der Wechselbezüglichkeit von
Institutionensystemen. Die koevolutionär entstandenen Elemente
der deutschen Wirtschaftsordnung weisen ihrer Meinung nach ein
hohes Maß an Komplementarität auf (Hall/Soskice 2001).
Diese Komplementarität der institutionellen Strukturen, z.B.
der deutschen industriellen Beziehungen, des beruflichen
Bildungs- und Weiterbildungssystems, der
Unternehmensfinanzierung und der unternehmensübergreifenden
Koordination über Netzwerke, verhindert demnach, dass einzelne
Elemente herausgelöst werden, denn "jedes Element des
institutionellen Rahmens (bedingt) die übrigen" (Soskice 1999:
208). Aus ureigenstem Interesse am Erhalt von komparativen
Vorteilslagen sind es in dieser Sicht daher die Unternehmer
und ihre Verbandsorganisationen, welche die institutionelle
Struktur aufrechterhalten. Alternative Unternehmensstrategien
könnten hingegen nur sehr begrenzt verfolgt werden, denn die
institutionelle Ordnung wirke als "adverse environment"
(Jürgens et. al. 2001).
Im Hinblick auf die Stabilität von
Verflechtungsstrukturen wird in analoger Weise mit dem
strategischen Interesse der Unternehmen argumentiert. Das
Interesse an den durch Unternehmensverflechtung erzielbaren
Koordinationschancen werde demnach die Reproduktion der
Verflechtungsnetzwerke auch unter den Bedingungen eines
stärkeren internationalen Wettbewerbs sicherstellen. Die auf
strategischen Interessen beruhende Änderungsresistenz der
Mandatsträgerverflechtung (Albach/Kless 1982), wie auch der
Verflechtung über Anteilskapital (Kogut/Walker 2001), könne
auch nur bedingt durch gesetzgeberische Maßnahmen des
Wettbewerbs- und Unternehmensrechts beeinflusst werden.[3]
Demgegenüber wurde von Befürwortern der
Veränderungsthese argumentiert, dass die (wahrgenommene)
Komplementarität der institutionellen Ordnung keineswegs
umfassenden Schutz vor der partiellen Annäherung an das
liberale Modell bietet (Beyer/Hassel 2002).
Internationalisierungsbedingt wird hingegen eine wachsende
Autonomie der Großunternehmen festgestellt, was auch dazu
führt, dass diese immer weniger genötigt sind, sich ihre
Strategien und Organisationsmuster durch nationale Modelle
vorschreiben zu lassen (Streeck 2001). Der Strategiewechsel
einzelner Unternehmen kann dabei weit reichende Folgen für
andere Unternehmen und selbst für die gesamte
Wirtschaftsordnung haben.[4]
Des Weiteren wurde - gerade mit Blick auf den deutschen
Finanzsektor - hervorgehoben, dass auch endogene Entwicklungen
bei Unternehmen dazu führen können, dass langfristig bislang
stabile institutionelle Ordnungen nicht länger "pfadabhängig"
reproduziert, sondern "hybridisierend" abgewandelt werden
(Deeg 2001).[5]
Im Anschluss an diese Debatte erscheint es
daher wichtig zu verdeutlichen, warum Unternehmen Strategien
ändern, an denen sie über Jahrzehnte festgehalten haben.
Hierfür ist die Einzelbetrachtung von Unternehmen
unerlässlich, da es durchaus möglich ist, dass sich die
Argumente für einen Strategiewechsel je nach Unternehmen
unterscheiden. Im Folgenden werden daher die Begründungen für
die ursprüngliche Verflechtungsstrategie bei den bislang im
Zentrum der "Deutschland AG" stehenden Unternehmen Deutsche
Bank und Allianz, sowie die Hintergründe ihres strategischen
Orientierungswechsels mittels Fallbeschreibungen
vorgestellt.
2Deutsche
Bank
Zu den hervorstechendsten Merkmalen der
deutschen Unternehmensverflechtung gehört traditionell die
starke Einbindung der größten Privatbanken, wobei die
Deutsche Bank in dieser Hinsicht über lange Zeit das am
stärksten in die Verflechtungsstruktur eingebundene
Unternehmen überhaupt war. Bereits um die Jahrhundertwende
hatten die Direktoren der Deutschen Bank mehr als 135
Aufsichtsratspositionen in deutschen Unternehmen inne und
stellten dabei 29 Aufsichtsratsvorsitzende (Riesser 1971). Die
hervorgehobene Einbindung der Deutschen Bank in das
Unternehmensverflechtungsnetzwerk bestätigte sich in späteren
Untersuchungen für verschiedene historische Zeitpunkte (Pappi
et. al. 1987; Pollux 1945; Beyer 1998; Ziegler 1998).
Dass schon bei Gründung der Deutschen Bank
im Jahr 1870 ausgeprägt enge Beziehungsstrukturen zwischen
Industrieunternehmen und Privatbanken vorhanden waren, geht
auch aus der Besetzung des aller ersten Direktoriumspostens
mit dem zur Siemens-Familie gehörenden Georg von Siemens
hervor (Perlitz/Seger 1994: 51). Die Gründung privater
Universalbanken - die Commerzbank wurde ebenfalls 1870
gegründet, die Dresdner Bank 1872 - löste ein zu dieser Zeit
bestehendes Kapitalbeschaffungsproblem der
Industrieunternehmen. Während im angloamerikanischen Raum
zunächst die Selbstfinanzierung durch Unternehmerfamilien im
Vordergrund stand, die allmählich durch die Verbreiterung der
Kapitalbasis mittels Anteilsstreuung abgelöst wurde, fiel in
Deutschland den Universalbanken die zentrale Rolle bei der
Mobilisierung des Kapitals zu (Gerschenkron 1962), da sich die
Investitionstätigkeit aus dem vergleichsweise kleinen Kreis
der gegenüber der Industrialisierung aufgeschlossenen Bürger
als nicht hinreichend erwies.[6]
Das Geschäftskonzept der Universalbanken
wurde rasch zum Erfolg. Im Frühjahr des Jahres 1914
bezeichnete die Frankfurter Zeitung die Deutsche Bank als
"größte Bank der Welt".[7]
Den privaten Universalbanken war die Beschaffung des
notwendigen Kapitals mittels Sammlung von Spargeldern
gelungen, wobei dem Publikum nur eine vergleichsweise niedrige
Verzinsung angeboten werden musste. Den Unternehmen konnte das
gesammelte Kapital gegen höhere Zinsen in Form von
Krediten zur Verfügung gestellt werden.
Das unternehmensstrategische
Interesse, das die Deutsche Bank, wie alle anderen
Universalbanken, an personellen Verflechtungen und
Kapitalbeteiligungen entwickelte, ergibt sich hierbei aus der
Möglichkeit zur Reduzierung des Kreditvergabe-Risikos. Über
Aufsichtsratsmandate lassen sich Informationen über den
Zustand von Unternehmen gewinnen, die weit über gesetzlich
geforderte Publikationspflichten hinausgehen.
Kapitalbeteiligungen und die Position des
Aufsichtsratsvorsitzenden erhöhen die Chance, dass bei
Krisensituationen auch direkt in die Unternehmensführung
eingegriffen werden kann. Mit der risikomindernden Wirkung von
Verflechtungsbeziehungen lässt sich gleichfalls das über viele
Jahrzehnte vorherrschende Hausbankprinzip erklären. Der
risikomindernde Vorteil von Verflechtungsbeziehungen konnte
zum Teil an die Unternehmen weitergereicht werden, indem
zinsgünstigere Kredite vergeben wurden. Auf diese Weise ließen
sich langfristige Kreditgeber-Kreditnehmerbeziehungen
aufbauen. Von Beobachtern aus dem angloamerikanischen Raum
wurde die Möglichkeit zur Vergabe von zinsgünstigen Krediten
noch Anfang der 1990er-Jahre als schwer zu kopierender Vorteil
des deutschen Systems ausgemacht (Cable 1985; Porter
1992).
Wie sehr die deutschen Universalbanken auf
die Vergabe von Krediten ausgerichtet waren verdeutlicht die
Tatsache, dass von den späten 1980er-Jahren an das "Know-How"
angloamerikanischer Investmentbanken über Akquisitionen
zugekauft werden musste. Im Falle der Deutschen Bank wurde der
erste Schritt 1989 mit dem Aufkauf der Investmentbank Morgan
Grenfell vorgenommen. Die bereits Jahre zuvor geäußerten
Absichtserklärungen bezüglich des Ausbaus des
Investmentbankings blieben lange Zeit reine
Lippenbekenntnisse. Bankenmachtkritiker warfen den deutschen
Großbanken bis in die 90er-Jahre hinein vor, über die
Kontrolle des Emissionsgeschäfts[8]
Unternehmen in die Kreditfinanzierung zu zwingen (Hax 1990).
Es konnte ein Prozess der abnehmenden Bedeutung des
Aktienmarktes festgestellt werden. So gab es 1963 insgesamt
636 börsennotierte Aktiengesellschaften in Deutschland, 1973
waren es 494 und 1983 nur noch 436. Inzwischen hat sich der
sich darin ausdrückende Trend deutlich umgekehrt.[9]
Auf Grund der Beziehungen zu sehr
vielen Industrieunternehmen entwickelte sich aus dem
Kreditsicherungsinteresse der größten Banken eine strategische
Orientierung zu Gunsten der "Koordinierung" bzw. "Regulierung"
von Konkurrenzverhältnissen zwischen Industrieunternehmen. Die
Regulierung der Konkurrenz zwischen Industrieunternehmen wurde
vor dem Zweiten Weltkrieg über Kartelle realisiert.
Zielsetzung der Kartelle war es, Überproduktionen zu
verhindern und jedem beteiligten Unternehmen einen
angemessenen Gewinn zu garantieren. In wirtschaftlichen Krisen
wurde die Gesamtproduktion reduziert, damit ein Preisverfall
und - für die Banken wichtig - der Konkurs von Mitgliedsfirmen
verhindert werden konnte (Windolf 2000). Bei der
Stabilisierung dieser Kartelle spielten Banken eine wichtige
Rolle. Es ist belegt, dass sie zu jener Zeit massiv auf
abweichende Unternehmen eingewirkt haben, um diese zum
Eintritt in ein Kartell zu bewegen (Pohl 1979: 219).
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Kartelle
durch die britischen und amerikanischen Besatzungsmächte
verboten. Dieser historische Schnitt wurde im Jahr 1957 durch
das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bestätigt, das in
§1 Kartelle grundsätzlich untersagt. Dennoch erhielten sich
Elemente der "regulierten Konkurrenz" (Windolf/Beyer 1995),
was auch nicht verwundert, blieb doch die Wirtschaftselite von
den Entnazifizierungsanstrengungen der Alliierten weitgehend
verschont. Hermann Josef Abs, von 1957 bis 1967
Vorstandssprecher der Deutschen Bank, wurde beispielsweise
bereits 1937 in das Vorstandsgremium der Bank berufen.[10]
Die Kontinuität der regulierten Konkurrenz
zeigt sich unter anderem in den industriepolitischen
Interventionen der Privatbanken. Zum Ziel von
industriepolitischen Interventionen wurden dabei häufig
Unternehmen aus Wirtschaftszweigen, von denen man annehmen
konnte, dass sie in strukturelle Krisen geraten waren. Indem
Strukturwandel "gemanagt" und nicht dem freien Spiel der
Marktkräfte überlassen wurde, konnte wiederum das Risiko der
Banken reduziert werden. Der Konkurs eines Großunternehmens
zieht immer eine Vielzahl von kleineren Unternehmen in
Mitleidenschaft, die wiederum in Kreditbeziehungen zu Banken
stehen. Durch aktives Einwirken von Banken wurden noch in
jüngster Zeit beispielsweise die Touristikbranche
(Westdeutsche Bank) sowie der Einzelhandel (Commerzbank,
Deutsche Bank) neu organisiert, indem Fusionen befördert
wurden. Die Deutsche Bank wirkte auch in massiver Weise auf
die Zusammenführung der Unternehmen Krupp, Hoesch und Thyssen
ein. Dass sie dabei auch von dem früher üblichen Verfahren der
diskreten Aushandlung abwich, hing mit der Zerrissenheit des
Vorstandsgremiums in den 1990er-Jahren zusammen. Der Gruppe
der traditionellen Kreditbanker stand nun eine Gruppe von
Vorständen gegenüber, welche die Zukunft der Bank im
Investmentbanking sahen.
Mit der Umorientierung auf das
Investmentbanking ist der unternehmensstrategische Schritt
benannt, der erklärt, warum die Deutsche Bank nicht länger im
Sinne der "Deutschland AG" funktioniert. Eine reine
Investmentorientierung - die der Deutschen Bank (noch) nicht
unterstellt werden kann[11]
- entlastet Banken davon, mitunternehmerisch tätig zu
werden (Windolf 2000). Wird der externe Kapitalbedarf der
Großunternehmen überwiegend durch den Aktienmarkt oder durch
Unternehmensanleihen gedeckt, agieren Banken als reine
Finanzintermediäre. Das Risiko wird nicht von den Banken,
sondern von den Aktionären oder privaten Anleihegebern
getragen, die im Falle von Unternehmenskonkursen ihr Kapital
verlieren. Enge Verflechtungsbeziehungen zu
Industrieunternehmen haben für reine Investmentbanken daher
keine unternehmensstrategische Bedeutung.
Investmentbank-Aktivitäten lassen sich
zudem bestenfalls mit dem Risiko dauerhafter
Interessenkonflikte in das deutsche Bankenkonzept integrieren
(Dziobek/Garrett 1998). Die Unterstützung von Unternehmen beim
"going public" entzieht der Kreditabteilung potenzielle
Kunden. Bei der Begleitung von Unternehmensakquisitionen
entstehen Konflikte wie im Falle der Thyssen Krupp Übernahme,
wenn die Bank gleichzeitig das Übernahmeangebot unterstützt
und ein Bankenvorstand als Aufsichtsrat im zu übernehmenden
Unternehmen sitzt. In den Amtsperioden von Hilmar Kopper und
Rolf-Ernst Breuer ist es in mehreren Fällen zu schwerwiegenden
Interessenkollisionen gekommen. Besonders prägnant war der
gescheiterte Übernahmefall Continental/Pirelli im Jahr 1993
bei dem die Deutsche Bank auf Grund dieser Konflikte zunächst
die eine und dann die andere Seite unterstützte
(Höpner/Jackson 2001).
Warum tendiert die Deutsche Bank
inzwischen zum Investmentbanking, obwohl sie in der
Vergangenheit immer eine Kreditbankorientierung aufwies?
Meines Erachtens sind insbesondere die folgenden Entwicklungen
von Bedeutung:
– |
Der Aufwand im
Privatkundengeschäft, das ursprünglich die
Geldsammel-Funktion innehatte, wurde zunehmend größer.
Bankdienstleistungen ließen sich lange Zeit nur bedingt
rationalisieren (Berger/Offe 1981). Dadurch wurden die
Gewinnmargen allmählich geringer. Der Markteintritt
ausländischer Unternehmen verstärkte diesen Effekt, da
den Kunden nun vermehrt höher verzinste Angebote gemacht
werden mussten. Die Strategie, Kleinsparer mit
Sparbüchern abzuspeisen, die nur eine geringe Verzinsung
garantieren, ließ sich nicht länger durchhalten. Auch
die verstärkte Konzentration auf bestimmte Kundengruppen
gelang nur bedingt. Eine Großbank, die zu offensichtlich
zwischen A-Kunden und B-Kunden differenziert, läuft
Gefahr, auch jene Privatkunden zu verprellen, auf die
sie sich eigentlich konzentrieren wollte.[12]
Der Versuch, bestimmte Bankgeschäfte beratungsunabhängig
zu gestalten und zu technisieren, führte letztlich dazu,
dass bestimmte Kundenkreise zunehmend autonomer über
ihre Geldanlage entscheiden. Die riesigen Filialnetze
sind durch die eingeleitete Entwicklung in Richtung
Homebanking[13]
zu einem schwer zu kalkulierenden Risiko geworden, zumal
die Markteintrittsschwellen für Konkurrenten im Bereich
des Home- und Computerbanking deutlich niedriger liegen.
Das einst sichere Standbein der Universalbanken hat
somit seine Standfestigkeit verloren.
|
– |
Auch im Bereich des
Kreditgeschäfts hat sich die Konkurrenz deutlich erhöht.
Das deutsche Bankensystem zeichnet sich durch eine
interne Gruppierung aus: Neben den privaten Großbanken
existieren öffentlich-rechtliche (Sparkassen,
Landesbanken) und genossenschaftliche Banken (regionale
Genossenschaften, Zentralkassen, DG Bank). Das
Verhältnis der Bankengruppen lässt sich inzwischen nicht
mehr mit friedlicher Koexistenz und weitgehend
abgegrenzten Zuständigkeiten beschreiben. Die
öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Banken
sprechen heute im Kreditgeschäft die gleichen
Kundengruppen an und der sukzessive steigende
Marktanteil der öffentlich-rechtlichen Banken bei
Unternehmenskrediten liegt bereits über dem der
Privatbanken (Deeg 1999: 47-55).
|
– |
Im Hinblick auf das
Kreditgeschäft ist allerdings ein anderer Prozess von
größerer Bedeutung. Ein wesentliches Element des
Prinzips "Deutschland AG" ist die risikomindernde
Wirkung, die Verflechtungsbeziehungen für Banken haben
können. Wenn aber vertrauensvolle Kontakte und internes
Monitoring Ausfallrisiken nur noch bedingt reduzieren
können oder andere Mechanismen ähnliches zu leisten im
Stande sind, dann schwindet der Wettbewerbsvorteil, den
Banken aus Verflechtungsbeziehungen ziehen
können. |
In der Amtszeit von Hilmar Kopper konnte
die Deutsche Bank anhand einer Vielzahl spektakulärer
Einzelfälle erfahren, dass sich die Risiken des
Kreditgeschäfts inzwischen verändert haben. Mit den Fällen
Metallgesellschaft (Dezember 1993), Jürgen Schneider (April
1994), Deckel Maho (April 1994) und Balsam AG (Juni 1994) sind
nur die wichtigsten aus einer Zeitperiode von knapp mehr als
einem halben Jahr benannt. Eine Studie von Horst Albach und
anderen belegt, dass man diese Fälle nicht allein der
Nachlässigkeit der Verantwortlichen zuschreiben kann (Albach
et. al. 1999). Deren Analyse zeigt, dass die Konkursrisiken
deutscher Aktiengesellschaften seit den 60er-Jahren
kontinuierlich gestiegen sind.[14]
Diese Entwicklung betrifft nicht nur bestimmte Unternehmen.
Durch eine Gruppierung der Unternehmen nach hohen und geringen
Konkursrisiken wird nachgewiesen, dass es in allen Gruppen zu
einer Erhöhung der Konkursrisiken gekommen ist (Schaubild
1).
Darüber hinaus hat sich auch die Art des
Risikos verändert. Wenn wie im Falle der britischen Barings
Bank die Entscheidungen eines untergeordneten Mitarbeiters
(Körnert 2000) oder wie im Falle der Metallgesellschaft die
Bewertung eines Termingeschäfts über Wohl und Wehe von
Unternehmen entscheiden können (Knipp 1998; Frankel/Palmer
1996), dann erscheint es als äußert zweifelhaft, dass sich
Risiken noch länger über Verflechtungsbeziehungen kalkulierbar
reduzieren lassen. Bei den von vielen Großunternehmen selbst
betriebenen Risikoabsicherungsstrategien ist ohne intensive
Analyse durch Spezialisten häufig kaum mehr ersichtlich, wie
hoch der spekulative Charakter wirklich ist. Durch
Entwicklungen im angloamerikanischen Raum (Verschärfte
Transparenzregeln an amerikanischen Börsen, Aktivität des
Marktes für Unternehmenskontrolle,
Shareholder-Value-Philosophie) wurde zudem ein allgemeiner
Trend in Richtung stärkerer Transparenz angestoßen. Die
Vorteile, die ein internes Monitoring noch haben könnte, sind
daher kleiner geworden.
Mit dem Schwinden des risikomindernden
Effekts der Unternehmensverflechtung reduziert sich für die
Banken auch die Möglichkeit zum Aufbau stabiler
Kreditbeziehungen. Heute gibt es zunehmend weniger deutsche
Großunternehmen, die von sich sagen, sie unterhielten noch
eine Hausbankbeziehung.[15]
Die Privatbanken, allen voran die Deutsche Bank, agieren im
Kreditgeschäft inzwischen restriktiver, wie zuletzt der Fall
der Kirch-Gruppe nachdrücklich gezeigt hat.[16]
Neben diesen Tendenzen, die das
traditionelle Kreditbankkonzept in Frage stellen, hat das
Investmentbanking an Attraktivität gewonnen. Die wesentliche
Entwicklung, die dies bewirkt hat, ist die zunehmende
Bedeutung von Fusionen und Übernahmen bei der
Unternehmensentwicklung. Nicht nur dass Investmentbanken bei
Beratung, Durchführung oder bei der Entwicklung von
Gegenstrategien gegen ungewollte Übernahmen jeweils verdienen
und daher von Übernahmebooms besonders profitieren, die
Gewinne reiner Investmentbanken entstehen immer aktuell und
sind nicht von dem Gelingen der Transaktion abhängig. Dies ist
kein unbedeutender Aspekt, liegt die Erfolgsquote von
Übernahmen doch im Bereich der Zufallsstreuung oder gar
darunter (Agrawal et. al. 1992; Lubatkin 1983; Lubatkin et.
al. 1997). Der Erfolg jeder einzelnen Akquisition ist vorab
höchst unsicher. Die Belebung des Markts für Übernahmen ist
für Investmentbanken daher ausschließlich positiv, für
Kreditbanken, die mitunternehmerisch tätig sind, erhöhen sich
hingegen die Risiken, die sie nur schwer abschätzen können.
Auch hier zeigt sich die Unvereinbarkeit der beiden
Bankmodelle. Während Investmentbanken ein Interesse an der
Stimulierung von Übernahmeaktivitäten haben, müssen die
Kreditbanken einer Verstetigung des Übernahmetrends eher mit
Besorgnis entgegensehen.
Die Hinwendung zum Investmentbanking wurde
von der Deutschen Bank mit der Berufung von Rolf-Ernst Breuer
zum Vorstandssprecher vollzogen. Breuer, auf Grund seiner
hausinternen Karriere zwar kein typischer Investmentbanker,
war vor seiner Berufung mit dem Aufbau des
Investmentbankgeschäfts beauftragt. An seiner
Investmentbank-Orientierung ließ Breuer in der Folgezeit wenig
Zweifel aufkommen. Als Hauptziele seiner Vorstandstätigkeit
sieht er es an, "Investmentbanking am Hochreck" zu bieten und
die amerikanische Dominanz in diesem Bereich zu brechen. Im
Übernahmekampf Mannesmann/Vodafone hielt sich die Deutsche
Bank auffallend zurück, was angesichts der vormals engen
Beziehungen zu Mannesmann einem Votum zu Gunsten der Übernahme
gleichkam.[17]
Breuers designierter Nachfolger Josef
Ackermann kommt direkt aus dem Investmentbanking-Bereich.
Ankündigungen, er werde das Geschäft der Deutschen Bank in
noch stärkerem Maße als zuvor auf dieses Geschäftsfeld
fokussieren, beförderten sogar Gerüchte, wonach der Sitz der
Deutschen Bank nach London verlegt werden könnte.[18]
Auch wenn dies dementiert wurde, besteht auch beim Nachfolger
von Breuer kein Zweifel an der grundsätzlichen strategischen
Ausrichtung der Bank auf das Investmentbankgeschäft. Der neue
Vorstand wird eine an angloamerikanische Vorbilder angelehnte
Führungsstruktur erhalten, in der "Chief Executive" Ackermann
die Verantwortung für den operativen Bereich "Corporate and
Investment Bank" behält, was die Bedeutung, die dem
Investmentgeschäft zugemessen wird, nachdrücklich
unterstreicht.
Dass die strategische Orientierung der
Deutschen Bank wesentliche Konsequenzen für das Prinzip
"Deutschland AG" hat, zeigt sich an der schwindenden
Einbindung der Bank in das deutsche
Personen-Verflechtungsnetzwerk. Im Jahr 1980 entsandte die
Bank ihre Vorstände in 40 der hundert größten Unternehmen,
1990 waren es noch immerhin 35 Aufsichtsräte, 1998 sind es
lediglich noch 17, mit deutlich abnehmender Tendenz. Im März
2001 wurde darüber hinaus angekündigt, dass Mitglieder der
Deutschen Bank in Zukunft keine Aufsichtsratsvorsitze mehr
übernehmen werden.[19]
Hinsichtlich der Kapitalverflechtung begann die Deutsche Bank
Anfang der 90er-Jahre, Industriebeteiligungen von über 25% zu
reduzieren - nach amerikanischen Verständnis gelten derartige
Beteiligungen als "controlling interest", einen Eindruck, den
die Deutsche Bank auf Grund ihres
Internationalisierungsinteresses zu entkräften suchte. Ein mit
den Industriebeteiligungen verbundener Aktienkursabschlag wird
von Vertretern der Deutschen Bank angesichts der gestiegenen
Bedeutung des Aktientauschs bei Akquisitionen zunehmend
kritisch beurteilt. Hilmar Kopper betonte in der Anfang der
90er-Jahre erneut aufkommenden "Bankenmachtdiskussion" immer
wieder, dass ihn lediglich die Besteuerungsregeln an der
Auflösung von Unternehmensbeteiligungen hinderten. Es sei der
Staat, der mit der Steuergesetzgebung das entscheidende Mittel
zur Entflechtung der Deutschland AG in der Hand habe.[20]
Hierzu jedoch mehr am Fallbeispiel Allianz.
3Allianz
Die herausragende Bedeutung der Allianz in
der "Deutschland AG" ist im Gegensatz zur Deutschen Bank eher
ein Phänomen der Nachkriegszeit, auch wenn ihre Ursprünge
anderes vermuten lassen. Die Allianz wurde im Jahr 1889 von
dem ehemaligen Direktor der Münchner Rückgesellschaft Carl
Thieme und dem Bankier Wilhelm Finck gegründet. Beim
Börsengang im Jahr 1890 traten neben dem Bankhaus Merck, Finck
& Co. auch bereits die Deutsche Bank, die Dresdner Bank
und die Bayerische Vereinsbank als Hauptaktionäre auf. Die
Münchener Rückversicherung hielt zwar keine Anteile, entsandte
aber nicht weniger als vier Mitglieder in den Aufsichtsrat der
Allianz.
Verbindungen, die über diesen Kreis der
Finanzunternehmen hinausreichten, gab es hingegen kaum. Trotz
der Novelle des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom Juli 1923,
die den Dispositionsspielraum der Versicherer auch auf Aktien
und Beteiligungen ausweitete, nutzte die Allianz wie fast alle
anderen Versicherer jener Zeit andere Kapitalanlageformen (vor
allem die Vergabe von Hypothekendarlehen, die Anlage in
Immobilien und den Aufkauf von Devisen). Im Jahr 1927 hatte
die Allianz lediglich 1,3 Prozent ihres Vermögens in Aktien
angelegt (Borscheid 1990), gehörte aber schon zu den größten
Direktversicherern in Deutschland.
Der auf Verflechtungsbeziehungen beruhende
außergewöhnliche Nachkriegserfolg der Allianz wurde
extern angestoßen. In der Wiederaufbauphase versuchte
der Staat, Einfluss auf die Geldanlage der Versicherungen zu
nehmen. Im Jahr 1951 wurden die Finanzunternehmen dazu
verpflichtet, sich an einem Milliarden-Kredit zu Gunsten der
Grundstoffindustrien Kohle, Eisen und Elektrizität zu
beteiligen (Abelshauser 1983: 76-84). Der neue eher liberal
gesinnte Vorstandsvorsitzende der Allianz Leben Dr. Gerd
Müller kommentierte dies damals folgendermaßen:
"Von manchen
Politikern wird es heute nahezu als eine
Selbstverständlichkeit angesehen, dass unsere Anlagemittel für
alle möglichen Interessen der Wirtschaftspolitik eingesetzt
werden können - und zwar am einfachsten durch Befehl oder
Anweisung von oben, das heißt durch Zwang. ... Gegen solche
Versuche werden wir uns mit allem Nachdruck wenden müssen."
(zit. nach Borscheid 1990: 429)
Um durch das Investitionshilfegesetz nicht
zu sehr an die Kandare genommen zu werden, erklärt sich der
Verband der Versicherungswirtschaft im selben Jahr bereit,
einen "freiwilligen" Beitrag zur Überwindung finanzieller
Engpässe in verschiedenen Bereichen der industriellen
Wirtschaft zu leisten. Anders als alle anderen
Versicherungsunternehmen, die diese Hilfe überwiegend in Form
von Schuldscheindarlehen leisteten, begann die Allianz
frühzeitig, auch Beteiligungen an Industrieunternehmen
aufzubauen und partizipierte daher ungleich mehr an dem
steilen und lang anhaltenden Wirtschaftsaufschwung der
Nachkriegsjahre.
Der Erfolg dieser strategischen
Einzelentscheidung führte dazu, dass der Aufbau von
Industriebeteiligungen alsbald zur zentralen
unternehmensstrategischen Orientierung der Allianz wurde.
Sukzessive wurden bedeutsame Minderheitsbeteiligungen
an vielen deutschen Großunternehmen aufgebaut. Die
einzelnen Kapitalbeteiligungen wurden auf Dauer gehalten und
nur dann verkauft, wenn sich die Bewertung der
Zukunftsaussichten der Anlage grundlegend geändert hatten. Da
nach deutschen Bilanzmethoden die Bewertung der
Unternehmensbeteiligungen nicht nach aktuellem Verkaufswert
erfolgt, konnte die Allianz auf diese Weise stille Reserven
bilden, die sich heute auf einer mehrstelligen Milliardenhöhe
bewegen.[21]
Mit dem stetigen Anwachsen der stabilen
Unternehmensbeteiligungen entwickelte sich eine
gesamtgesellschaftliche Perspektive. Bis zum Ende der
70er-Jahre ist die Allianz von ihrem Selbstverständnis her
"Financier der deutschen Wirtschaft" (Borscheid 1990:
430, Hervorhebung J.B.).
Die Vielzahl der Unternehmensbeteiligungen
führte auch dazu, dass die Allianz in dem
Personenverflechtungsnetzwerk deutscher Unternehmen stets eine
dominante Rolle innehatte. Das Verflechtungsmuster der Allianz
unterscheidet sich dennoch ganz entscheidend von dem der
deutschen Privatbanken. Während die Banken in starkem Maße
Aufsichtsratsvorstandsposten anstrebten, begnügt sich die
Allianz häufiger mit einfachen Aufsichtsratsposten. Ferner ist
die Personenverflechtung der Banken eine einseitige. Die
eigenen Aufsichtsräte werden nur selten mit führenden
Persönlichkeiten aus Industrieunternehmen gefüllt, diese
werden in die zumeist riesigen Beraterkreise verwiesen. Dieses
Verflechtungsmuster der Banken wurde häufig als Ausdruck
"hegemonialer" Beziehungsstrukturen gewertet (Pappi et. al.
1997). Das Verflechtungsmuster der Allianz entspricht hingegen
eher dem des erlesenen "Freundeskreises". Die Aufsichtsräte
des Versicherungsunternehmens sind mit Vertretern der
bedeutendsten deutschen Unternehmen gespickt. Dass die
vielfältigen Verflechtungsbeziehungen die unangefochtene
Stellung als größter deutscher Industrieversicherer nicht
unmaßgeblich gestärkt haben dürften, kann auf Grund der
Einträglichkeit dieses Geschäftszweiges als Nebenaspekt
angeführt werden.
Das Prinzip "Freundeskreis" findet sich
auch bei der Kapitalverflechtung der Allianz. Die Allianz ist
in eine Vielzahl von Ring- und Überkreuzverflechtungen
eingebunden. Diese Verflechtungsstrukturen, von vielen als
typisch deutsch angesehen, sind eigentlich eher typisch
Allianz (Kammerath 1999).[22]
Auf Grund der Höhe der von der Allianz aufgebauten "Stillen
Reserven" liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei den Ring-
und Überkreuzverflechtungen um Schutzmechanismen gegen
feindliche Übernahmen handelt. Eine entsprechende
Interpretation wurde beispielsweise von Michael Adams (1994)
und Ekkehard Wenger (1996) vorgebracht, die diese
Verflechtungen als neue Formen zur Sicherung der
Managerherrschaft oder gar als "Sowjetisierung" geißeln. Ob
diese Verflechtungsstrukturen tatsächlich wegen des Schutzes
gegen Übernahmen aufgebaut wurden, lässt sich heute nicht mehr
mit Bestimmtheit sagen. Da viele Beteiligungen, wie die
Überkreuzverflechtung mit der Münchener Rück, aus einer Zeit
stammen, da man in Deutschland noch lange nicht mit
feindlichen Übernahmen rechnen konnte,[23]
ist allerdings Skepsis angebracht.
Dass Allianz und Münchener Rück ihre
Überkreuzverflechtung im Jahr 2002 jeweils nur um symbolische
5% zurückfahren wollen, wechselseitig aber weiterhin 20%
halten, hat sicherlich auch mit dem inzwischen gestiegenen
Übernahmerisiko zu tun. Die im Zuge der beschlossenen
Übernahme der Dresdner Bank angekündigte Reorganisation
verschiedener Überkreuzverflechtungen und die Bildung zweier
miteinander verbundener Allfinanz-Gruppen aus Allianz/Dresdner
und Münchner Rück/Hypo-Vereinsbank könnte daher auch eine
vorwiegend optische Korrektur von weiterhin engen
Kooperationsbeziehungen sein. Welche aus der
Unternehmensstrategie ableitbaren Gründe sprechen dennoch
dafür, dass die Allianz inzwischen keine Orientierung zu
Gunsten der "Deutschland AG" mehr hat? Aus meiner Sicht sind
es folgende:
– |
Zum ersten die Internationalisierung
des Beteiligungs-Portfolios der Allianz. Der Erfolg der
Allianz hat dazu geführt, dass in den 70er-Jahren die
Anlagestrategie von "vorwiegend Deutschland" auf
"vorwiegend Europa" umgestellt wurde. Mitte der
90er-Jahre erklärte der Vorstandsvorsitzende Henning
Schulte-Noelle, dass die Zeit größerer Aufkäufe nun auch
in Europa vorbei sei, und die Anlagestrategie fortan nur
noch "global" sein könne.[24]
Heute erstreckt sich der Anteilsbestand der Allianz
nicht mehr nur auf BASF, Siemens oder DaimlerChrysler,
sondern auch auf Intel, Nokia und General Electric um
nur einige zu nennen. Die relative Bedeutung des
deutschen Marktes ging daher zurück.[25]
Höhere Wachstumsraten bei Industriebeteiligungen
vermutet die Allianz inzwischen andernorts und sucht sie
auch dort.
Dass die Allianz ihre
Anlagestrategie konzentrisch ausgeweitet, alte
Beteiligungen häufig jedoch nicht in Frage gestellt hat,
kann auf einen durch die Steuergesetzgebung
hervorgerufenen "lock-in"-Effekt zurückgeführt werden.
Veräußerungsgewinne wurden bis zum Inkrafttreten der
unter dem Namen "Eichel-Plan" (Höpner 2000) bekannt
gewordenen Steuerrechtsänderung wie Gewinne behandelt.
Die "stillen Reserven", die in den Altbeteiligungen
enthalten waren, wirkten als stabilisierender Faktor.
Vom Jahr 2002 an können die Beteiligungen steuerfrei
veräußert werden, sodass vermutet werden kann, dass die
Allianz ihr Portfolio durch die Auflösung von
Altbeteiligungen optimieren wird. Es ist damit zu
rechnen, dass dies nicht ohne Einfluss auf die engen
Verflechtungsbeziehungen zu deutschen
Industrieunternehmen bleiben wird, sind es doch diese
Beteiligungen, die sich mit am längsten in der Händen
der Allianz befinden. Gegen die Mitte der 90er-Jahre in
der Diskussion stehende gesetzliche Begrenzung des
Beteiligungsbesitzes von Finanzunternehmen hatte
Schulte-Noelle stets eingewandt: "Wir sind in der
Vergangenheit doch immer wieder aufgefordert worden, in
die deutsche Wirtschaft zu investieren".[26]
Mit der Steuerrechtsänderung können die
Investitionsentscheidungen der Vergangenheit nun
steuerneutral aufgehoben werden.
|
– |
Als zweiter Grund kann die
Umorientierung auf das Allfinanz-Konzept genannt
werden. Ein erster Vorbote der Eichel-Reform ist die
Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz. Über eine
Vorschaltgesellschaft wurde die Transaktion schon ein
Jahr vor Inkrafttreten der Reform steuerfrei
durchgeführt. Die Akquisition der Dresdner Bank hängt
unter anderem mit den in mehreren europäischen Ländern
geplanten Umstellungen der Sozialversicherungssysteme
zusammen, welche die Mitte der 1980er angedachten und
kurze Zeit später verworfenen Allfinanz-Konzepte wieder
auf die Tagesordnung brachten.[27]
Die künftigen Wachstumsmöglichkeiten bei privater und
betrieblicher Altersvorsorge und bei der
Vermögensverwaltung werden als außerordentlich hoch
eingestuft.[28]
Mit weiteren Akquisitionen der Allianz insbesondere im
europäischen Finanzbereich wird daher gerechnet. In
Richtung Frankreich bestehen bereits eine
Mehrheitsbeteiligung zum Versicherer AGF und
Minderheitsbeteiligungen an der Societé Générale und der
Crédit Lyonnais. Die zu erwartenden Restrukturierungen
im Versicherungs- bzw. Finanzbereich dürften neben dem
Erwerb über Aktientausch (die Allianz ist seit dem 3.
November 2000 an der NYSE gelistet, was die Tauglichkeit
der Aktie als Akquisitionswährung erhöht haben dürfte)
vor allem über die Auflösung direkter
Industriebeteiligungen finanziert werden. Neben den
steuerlichen Aspekten spricht daher auch die
strategische Re-Orientierung auf den Finanzbereich für
die Lockerung der vielverzweigten Kapitalbeziehungen im
deutschen Unternehmensverflechtungsnetzwerk.
|
– |
Als dritte Entwicklung kann die
Hinwendung zum aktiven Asset-Management angeführt
werden. Seit 1998 wird der Bereich Asset-Management bei
der Allianz zum Kerngeschäftsfeld ausgebaut. Mit der
Übernahme der Dresdner Bank hat die Allianz einen
weiteren großen Schritt in diese Richtung gemacht.[29]
Mit der Dresdner-Tochter Deutscher Investment-Trust
(DIT), der hauseigenen
Allianz-Kapitalanlagegesellschaft (KAG) und den
1999 und 2000 erworbenen
US-Asset-Management-Gesellschaften Pimco Advisors
und Nicholas Applegate ist sie nun in allen
Fondssegmenten gut positioniert.
|
Der mit dem Aufbau dieses Kerngeschäfts
eingeleitete Trend weg von der direkten stabilen
Industriebeteiligung hin zur indirekten Beteiligung über Fonds
wird die vormals engen Beziehungen zu den Industrieunternehmen
gleichfalls entscheidend lockern. Erfolgt doch die
Einflussnahme von Fondsgesellschaften nicht über stabile
Verflechtungsbeziehungen sondern über Investorenmeetings
("voice") und vor allem über "exit". Amerikanische Versicherer
haben jährliche "turnover rates" von fast 50 Prozent, d.h.
nahezu die Hälfte der gesamten Anlagen werden innerhalb eines
Jahres umgeschichtet (Brancato 1997: 27). Die Allianz hat sich
insbesondere mit dem Erwerb der amerikanischen
Asset-Management-Gesellschaften auf ein ähnlich aktives
Management vorbereitet.
4Das
Verflechtungszentrum deutscher Unternehmen
Welche Bedeutung haben die Entwicklungen
bei der Allianz und der Deutschen Bank für die "Deutschland
AG"? Beide Unternehmen waren in der Vergangenheit die am
stärksten in die Struktur aus Mandats- und Kapitalverflechtung
eingebundenen Unternehmen und waren daher zentrale Stützen der
"Deutschland AG". Lenkt man den Blick von der Zentralität von
Unternehmen auf zu Grunde liegende Mechanismen und Strukturen,
dann beruhen die Koordinationschancen im deutschen
Verflechtungsnetzwerk nicht nur auf der hervorgehobenen
Position von einzelnen Unternehmen, sondern vor allem auf der
Kombination von Strukturelementen, die eine Kooperation
von konkurrierenden Unternehmen erleichtert.
Demnach wäre es durchaus möglich, dass das
Prinzip der "Deutschland AG" auch nach dem
Orientierungswechsel von Allianz und Deutscher Bank
weitergeführt wird, dass sich die Verflechtungsstrukturen auch
ohne deren Beteiligung fortschreiben. In der Vergangenheit hat
sich die Zusammensetzung des für Deutschland
charakteristischen Verflechtungszentrums mehrfach verändert.
Bestimmte Unternehmen verloren ihre zentrale Position und
andere rückten in dieses Zentrum ein (Beyer 1998: 155-159).
Was ist also das Besondere an der aktuellen Entwicklung?
In der Vergangenheit erfolgte der Wechsel
in der Zusammensetzung des Verflechtungszentrums in
Übereinstimmung mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel. So
gehörte die Ruhrkohle AG im Jahr 1976 noch zu den personell am
stärksten verflochtenen Unternehmen (Ziegler/Bender/Biehler
1985: 99), verlor danach aber diese hervorgehobene Stellung.
Ähnliche Verschiebungen waren bei Metall erzeugenden
Unternehmen (insbesondere Krupp) zu beobachten. Für die
Allianz und die Deutsche Bank können derartige im
Strukturwandel liegende Faktoren hingegen ausgeschlossen
werden. In diesen Fällen handelt es sich um eine
unternehmensstrategische Abkehr vom Prinzip "Deutschland AG"
und nicht um einen Bedeutungsverlust dieser Unternehmen.
Der Wandel betrifft darüber hinaus nicht
nur die Beispielfälle Deutsche Bank und Allianz. Dies lässt
sich anhand der Personenverflechtung zeigen. Die Dichte in dem
mit Hilfe von netzwerkanalytischen Methoden ermittelbaren
Verflechtungszentrum ist in den letzten Jahren drastisch
gesunken. Sie betrug im Jahr 1992 1,45, d.h. jedes Unternehmen
dieses Verflechtungszentrums war mit jedem anderen mit
durchschnittlich deutlich mehr als einer Person verbunden
(Beyer 1998: 158). Die Verflechtungsdichte derselben
Unternehmen beträgt im Jahr 2001 nur noch 0,72, was einer
Reduzierung der Verflechtungsdichte um rund 50% entspricht.
Berechnet man ein neues Verflechtungszentrum der inzwischen
meist verflochtenen Unternehmen, dann ergibt sich eine Dichte
von 1,04, was immer noch einem Rückgang von fast 30%
entspricht.[30]
Von dem Rückgang sind nicht nur die
Verflechtungsbeziehungen der Finanzunternehmen, sondern auch
die Verflechtungen zwischen Nichtfinanzunternehmen betroffen.
Bei den Finanzunternehmen ist insbesondere bei den so
genannten gerichteten Verflechtungsbeziehungen (Vorstände aus
Finanzunternehmen sitzen in den Aufsichtsräten von
Nichtfinanzunternehmen) eine deutliche Abnahme festzustellen.
Gleichzeitig reduzierten sich aber auch die ungerichteten
Aufsichtsratsverflechtungen bei Industrie- und
Dienstleistungsunternehmen. Die Abkehr von der Deutschland AG
ließe sich daher nicht nur anhand der Deutschen Bank und der
Allianz, sondern auch anhand von DaimlerChrysler, der
ehemaligen Hoechst AG und vielen anderen deutsche
Industrieunternehmen zeigen.
Deutliche Veränderungen zeigen sich auch
bezüglich der Verflechtung über Anteilskapital. In einer
Analyse von mehr als 400 börsennotierten Unternehmen zeigt
Dariusz Wójcik (2002), dass sich die für Deutschland typischen
großen Kapitalbeteiligungsblöcke bereits in signifikantem
Ausmaß reduziert haben. Die durchschnittliche Größe einer
Kapitalbeteiligung bei den untersuchten Unternehmen sank von
31,8% im Jahr 1997 auf 28,9% im Jahr 2001. Der Rückgang der
Konzentration bestätigte sich in dieser Analyse auch dann
noch, wenn zwischen dem größten, zweit- und drittgrößten
Eigentümerblock, zwischen Industriezweigen und
Unternehmensgrößenklassen differenziert wird. Bei dem Rückgang
der durchschnittlichen Kapitalbeteiligungsstärke handelt es
sich also wie auch bei der Personenverflechtung um einen
allgemeinen Trend. Es kann daher ausgeschlossen werden, dass
es sich bei der Allianz und der Deutscher Bank um Einzelfälle
handelt, deren Strategieänderung durch andere Unternehmen
aufgefangen werden könnte. Es treten keine anderen Unternehmen
an die Stelle von Allianz und Deutscher Bank. Stattdessen
befinden sich die Verflechtungsstrukturen in einem allseitigen
Erosionsprozess.
5Am Ende
der "Varieties of Capitalism"?
Trotz der komparativen Vorteile, die man
der deutschen "koordinierten" Wirtschaftsordnung zuschreibt,
ändern Unternehmen wie die Deutsche Bank und die Allianz ihre
bisherige Unternehmensstrategie. Die Unternehmensverflechtung,
die bislang den typischen Merkmalen des koordinierten
Kapitalismus zugerechnet wurde, zeigt nicht zuletzt auf Grund
dieser Strategieänderungen deutliche Auflösungserscheinungen.
Es stellt sich daher die Frage, ob die erodierenden
Verflechtungsstrukturen den Fortbestand der deutschen Variante
des Kapitalismus insgesamt in Frage stellen. Die Fälle
Deutsche Bank und Allianz scheinen zumindest eine Annäherung
an den angloamerikanischen Kapitalismustyp nahe zu legen.
Dennoch muss vor voreiligen Schlüssen
gewarnt werden. So wie wir uns angewöhnt haben, die
Mitbestimmung irgendwann zur deutschen Variante des
Kapitalismus zuzurechnen, könnte es angebracht sein, dass man
bestimmte Elemente diesem nicht länger zurechnet. Nur wenn man
eine extrem hohe Komplementarität zwischen
verschiedenen institutionellen Strukturen annimmt, sprechen
Erosionsprozesse in einem Bereich auch für die Erosion der
gesamten Wirtschaftsordnung.
Auf Grund der Art und Weise, wie sich die
Veränderungen der "Deutschland AG" ergeben haben, kann ein
sich kurzfristig vollziehender "Kartenhauseffekt" bei anderen
prägenden Institutionen der deutschen Wirtschaftsordnung nicht
erwartet werden. Die Strategieänderungen bei Deutscher Bank
und Allianz sind verständlich vor dem Hintergrund eines
komplexen Zusammenspiels von Wettbewerbs- und
Internationalisierungseffekten, politischen Entscheidungen und
unternehmensspezifischen Faktoren. Im Hinblick auf die Frage
der Unternehmensverflechtung haben sich die Strategiewechsel
bereits mittel- und unmittelbar auf andere Unternehmen
ausgewirkt bzw. werden sich noch auswirken.[31]
Eine Infragestellung anderer Institutionen erscheint
zwar nicht ausgeschlossen, würde aber ein ähnlich komplexes
Zusammenwirken von verschiedenen Faktoren erfordern. Die
jüngste Reform des Betriebsverfassungsgesetzes belegt, dass in
Gleichzeitigkeit zu den thematisierten Entwicklungen bei der
"Deutschland AG" andere institutionelle Elemente der deutschen
Kapitalismusvariante stattdessen bestätigt und vertieft
wurden.
Die Unternehmensverflechtung gehört zu den
labileren Elementen der deutschen Wirtschaftsordnung. Es ist
daher höchst plausibel, dass sich Wandlungsprozesse gerade
hier gezeigt haben. Die Verflechtung von Unternehmen wird
argwöhnisch von Kartellbehörden beobachtet und gilt nur in
gewissen Grenzen als tolerabel. Ihre institutionelle
Absicherung ist vergleichsweise gering. Im Gegensatz zur
Mitbestimmung gibt es keine Gesetze, die den Bestand der
Unternehmensverflechtung rechtlich garantieren würden. Wie man
an dem Besteuerungsaspekt sehen kann, waren zwar auch
indirekte Stabilisierungseffekte wirksam, in überwiegender
Weise hängt die Unternehmensverflechtung jedoch von dem
strategisch motivierten Koordinierungswillen und der
Koordinierungsfähigkeit der Unternehmen ab. Bei institutionell
stärker abgesicherten Elementen der deutschen
Wirtschaftsordnung sollte daher nicht allein auf Grund von
trügerischen Analogieschlüssen oder überzogenen
Komplementaritätsannahmen von der Zwangsläufigkeit von
Änderungen ausgegangen werden.
In diesem Zusammenhang verdient auch die
Langfristigkeit einiger - den Wandel begünstigenden - Faktoren
Beachtung, etwa die über die Zeit zunehmenden
Wettbewerbsrisiken und die Rationalisierungsschwierigkeiten im
Privatkundengeschäft. Ab einem bestimmten Zeitpunkt wurden
kritische Schwellen erreicht, sodass in den Unternehmen
alternative Strategiewahlen angedacht wurden. Dies weist
darauf hin, dass Dissonanzen über lange Zeit vorhanden waren.
Auf bestimmte Probleme konnte mit der alten
Unternehmensstrategie nicht reagiert werden. Erst ein
veränderter Problemdruck sowie veränderte Problemwahrnehmungen
rückten eine radikale Abweichung vom vorherigen Kurs in den
Möglichkeitsraum.[32]
Auch für das Institutionensystem der
deutschen Wirtschaftsordnung kann angenommen werden, dass
Dissonanzen vorhanden sind, da es immer Probleme geben wird,
die sich im bestehenden institutionellen Kontext nur bedingt
bearbeiten lassen. Der Kollaps einer gesamten
Wirtschaftsordnung stellt allerdings einen Extremfall dar.[33]
Selbst bei unterstellter hoher Komplementarität der
Institutionen müsste eine bedeutsame Änderung in einem Bereich
erst das Überschreiten weiterer kritischer Schwellen
initiieren. Davon kann momentan nicht ausgegangen werden.
Plausibler scheint zu sein, dass sich die deutsche
Wirtschaftsordnung in einem koevolutionären Prozess der
Neuausrichtung an eine veränderte Situation befindet.
In aktuellen unternehmensbezogenen
Untersuchungen finden sich verschiedene Hinweise auf solche
Prozesse der hybridisierenden Anpassung. So gelingt es Rainer
Zugehör (2001) zu zeigen, dass kapitalmarktorientierte
Restrukturierungen bei starker Mitbestimmung teilweise
friktionsloser durchgeführt werden können und Martin Höpner
(2001) weist nach, dass eine "Shareholder Value"-Orientierung
in erstaunlich unproblematischer Weise in deutschen
Unternehmen Einzug hält. Dabei erscheint nicht ausgeschlossen,
dass sich neue Komplementaritäten zwischen institutionellen
Elementen ergeben, die heute noch als widersprüchlich
wahrgenommen werden.
Vielleicht wird man sich aber auch daran
gewöhnen müssen, dass Länder nicht mehr die geeignete Einheit
für den Vergleich von Wirtschaftsordnungen sein werden.
Strukturen der Unternehmenskoordination mögen zukünftig auf
betrieblicher,[34]
sektoraler, europäischer oder transnationaler Ebene Bedeutung
erlangen. In der Wirtschaftspresse wird der Begriff Europa AG
bereits gebraucht. Die "Deutschland AG", die eine
nationale Koordinierung der Wirtschaftsakteure
erleichtert hat, scheint hingegen außer Dienst.
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Arbeitnehmermitbestimmung bei Umstrukturierungen: VEBA und
Siemens im Vergleich, Beitrag für den Workshop "Wer beherrscht
das Unternehmen? Corporate Governance in Deutschland im Licht
von Fallstudien und Unternehmensvergleichen" am
Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln, 4. Mai
2001.
Fußnoten
* Der Text ist im Kontext des am
Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung lokalisierten
Projektverbundes "Das deutsche System industrieller
Beziehungen unter dem Einfluss der Internationalisierung"
entstanden. Den daran beteiligten Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern Anke Hassel, Martin Höpner, Antje
Kurdelbusch, Britta Rehder, Wolfgang Streeck und Rainer
Zugehör gilt mein Dank für wichtige Anregungen und Hinweise.
Eine frühere Version des Textes wurde auf dem Workshop "Wer
beherrscht das Unternehmen? Corporate Governance in
Deutschland im Licht von Fallstudien und
Unternehmensvergleichen" vorgestellt. Den Teilnehmern dieses
Workshops danke ich ebenfalls. Ohne eine frühere
Zusammenarbeit mit Paul Windolf wären mir verschiedene
Einsichten versagt geblieben, sodass auch ihm mein Dank
gebührt.
1 Aus
institutionenökonomischer Sicht begünstigt die Komplexität von
institutionellen Strukturen pfadabhängige Entwicklungen (North
1990). Je komplexer ein institutionelles Arrangement ist,
desto höher fallen die Kosten seiner Änderung aus, und desto
unvollständiger ist das "feedback" an Informationen, das die
interessierten Akteure benötigen, um die
Gewinnmaximierungsaussichten bei einer Änderung von
Bestehendem mit denen vergleichen zu können, die sie von einer
Beibehaltung des Bestehenden erwarten können.
2 In einem
internationalen Vergleich zeigten sich ähnlich dichte
Verflechtungszentren lediglich in Österreich und der Schweiz
(Stokman/Wasseur 1985: 31). Zu Länderdifferenzen in der
Unternehmensverflechtung vgl. auch Windolf/Nollert (2001).
3 Die Chance zur
Änderung wird allenfalls einer massiven gesetzlichen Kampagne
zugestanden. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte eine Serie von
Gesetzesinitiativen die Auflösung des so genannten "Money
Trusts" in den Vereinigten Staaten bewirkt (Roe 1991; Simon
1998). Die bisherigen gesetzlichen Änderungen in Deutschland
seit Anfang der 90er-Jahre (siehe die Übersicht in: Heinze
2001) werden von den Vertretern der Stabilitätsthese als bei
weitem nicht hinreichend angesehen (Hall/Soskice 2001: 61-62;
Kogut/Walker 2001: 329)
4 Der komparative
Vorteil einer Wirtschaftsordnung hängt möglicherweise in
besonderer Weise von der strategischen Orientierung einiger
weniger Unternehmen ab (z.B. von der Kreditvergabepraxis der
Banken). Haben diese Unternehmen Anlass zur Änderung ihrer
Strategie, dann wirkt auch der komparative Vorteil, den andere
Unternehmen weiterhin hätten, nicht länger stabilisierend.
5 Richard Deeg sieht
die Strategieänderung im Finanzsektor der gesetzlichen
Änderung der Bankenregulierung zeitlich vorgelagert: "The
big-banks' strategy of developing capital market-related
business could not be pursued effectively within the
institutional framework existing in the early 1980s. Thus they
began an effort to rewrite the "rules of the game" itself,
and, aided and abetted by political actors, have done so
extensively" (Deeg 2001: 34). Jürgen Beyer und Anke Hassel
(2002) finden bei Industrieunternehmen eine signifikante
Änderung der Wertschöpfungsverteilung zu Gunsten von
Aktionären, die sich nicht auf Gesetzesänderungen zurückführen
lässt.
6 Auf die
Notwendigkeit zur Spezifizierung der Bankenfinanzierungs-These
haben u.a. Jürgen Kocka (1978) und Susanne Lütz (2000)
hingewiesen. In bestimmten Sektoren (Chemie),
Unternehmensgrößenklassen (mittelständische Unternehmen) und
Regionen (Baden-Württemberg) hatte die Kreditfinanzierung
durch Banken in der Industrialisierungsphase eine eher
untergeordnete Bedeutung.
7 "Es gibt ... kein Institut auf
der Welt, das gleichzeitig über so viel eigene und fremde
Mittel verfügen kann und darüber hinaus noch so weit
verzweigte Geschäfte auf allen Gebieten des Wirtschaftslebens
... pflegt" (Frankfurter Zeitung aus dem Jahr 1914 zitiert
nach Handelsblatt Nr. 48, 8.3.1995, S.23: "Das größte deutsche
Kreditinstitut will Investmentbanking ausbauen" von Gerhard
Kutscher).
8 Von den lediglich
89 Neuemissionen des Zeitraums 1983 bis 1988 übte die Deutsche
Bank in 43 Fällen die Federführung aus (Sörgel 1992: 5).
9 In den 90ern ist
ein sprunghafter Anstieg der Anzahl börsennotierter
Gesellschaften festzustellen. Im Jahr 1999 waren 933
Aktiengesellschaften an der Börse notiert (Baums et. al.
2000).
10 Vgl. Gall (1998) zur
widersprüchlichen Rolle von Hermann Josef Abs im Dritten
Reich. Nach Kriegsende war Abs wirtschaftlicher Berater der
britischen Besatzungsmacht, dann neben seiner
Vorstandstätigkeit auch Berater von Konrad Adenauer. Zur
Begrenzung der maximal möglichen Aufsichtsratspositionen hat
letztlich auch die Mandatshäufung von Hermann Josef Abs
geführt, der zeitweise bis zu 24 Aufsichtsratsmandate
innehatte. 1965 wurde in einer als "Lex Abs" bekannt
gewordenen Aktienrechtsänderung festgeschrieben, dass kein
Vorstand mehr als zehn konzernfremde Aufsichtsratsposten
annehmen darf.
11 Derzeit sind verschiedene
Geschäftseinheiten der Deutschen Bank durch so genannte
"firewalls" getrennt. Dies bedeutet, dass die ursprünglich
integrierte Universalbankkonzeption aufgegeben wurde.
Eigentumsrechtlich gehören die organisatorisch getrennten
Bereiche weiterhin zusammen.
12 Im Zuge der letztlich
gescheiterten Fusion von Deutscher Bank und Dresdner Bank
hatte der Vorstandssprecher der Deutschen Bank Rolf-Ernst
Breuer ein Organisationskonzept vorgestellt, das die Klientel
der Bank in A-Kunden (einkommens- und vermögensstarke Kunden)
und B-Kunden unterteilt. Diese Ankündigung führte zu einem
Sturm der Entrüstung und zu massiven Kundenverlusten (auch bei
den vermeintlichen A-Kunden). Hintergrund des Vorstoßes der
Deutschen Bank ist die maßgeblich von McKinsey propagierte
"Lean Banking"-Konzeption (D'Alessio/Oberbeck 1994;
Hildebrandt 1999), wonach Deutschland, gemessen an der Zahl
der Einwohner pro Bankstelle, als "overbanked" erscheint und
eine größere Effizienz vor allem durch die Standardisierung
und Technisierung des Tagesgeschäfts (das Geschäft mit den
B-Kunden) zu erzielen wäre.
13 Die Citibank führte in
Deutschland im Jahr 1989 als erstes Unternehmen
Bankdienstleistungen per Telefon ein, die Direktbank der
Deutschen Bank, die Bank 24, nahm im Herbst 1995 die Geschäfte
auf (Holtgrewe/Kerst 2001). Ausländische Banken wie die
schwedische SEB betreiben die Ausweitung ihres
Deutschlandgeschäfts gezielt über eine aggressive
Homebanking-Strategie (Die Zeit Nr. 5, 24.1.2002, S. 25 "Eine
Bank in jeder Wohnung").
14 Das Konkursrisiko wurde in der
Analyse von Albach et. al. (1999) durch den so genannten
Z-Wert nach Altman (1968) bestimmt. Der Z-Wert wird über eine
Diskriminanzfunktion berechnet, in die folgende
Unternehmenskennwerte eingehen: Nettoumlaufvermögen,
Bilanzgewinn, Vorsteuergewinn, Umsatz jeweils in Relation zum
Gesamtvermögen, sowie Börsenwert in Relation zum Buchwert der
Gesamtschulden.
15 In einer im Jahr 2000
durchgeführten schriftlichen Befragung des
Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung gaben nur noch
19 von 52 (32,8%) antwortenden Großunternehmen an, dass sie in
einer Hausbankbeziehung stehen, wobei lediglich 9 Unternehmen
(15,5%) in der Vergangenheit keine Hausbank hatten. 24
Unternehmen (46,2%) haben sich im Erinnerungshorizont der
Befragten von ihrer Hausbankbeziehung gelöst. Die Befragung,
die im Rahmen des Projekts "Das deutsche System der
industriellen Beziehungen unter dem Einfluss der
Internationalisierung" durchgeführt wurde, richtete sich an
die Unternehmensleitungen der nach Wertschöpfung größten
deutschen Unternehmen. Von den angeschriebenen 111 Unternehmen
haben sich 58 Unternehmen an der Befragung beteiligt
(Rücklaufquote: 52,3%).
16 Dies wurde in der
Wirtschaftspresse folgendermaßen kommentiert: " ... den
letzten Träumern der Deutschland AG dürfte Breuer jede
Illusion geraubt haben. Denn die Zeiten, in denen sich
deutsche Unternehmen in erster Linie über langfristige Kredite
zinsgünstig finanziert haben, weil es eine lange persönliche
Beziehung zum Firmenkundenberater der Hausbank gab, gehen zu
Ende. Für die Banken ist das traditionelle Kreditgeschäft
unrentabel und damit unattraktiv geworden ... Wer künftig noch
Kredite will muss - abhängig von der Bonität - deutlich mehr
Zinsen zahlen." (Handelsblatt Nr. 35, 19.02.2002, S. 9 "Raue
Sitten" von Hermann-Josef Knipper)
17 Die Deutsche Bank war 1890
maßgeblich an der Gründung der Mannesmann-Röhren-Werke, dem
Rechtsvorgänger der späteren Mannesmann AG, beteiligt und
blieb bis zur Übernahme durch Vodafone Airtouch Hausbank des
Unternehmens.
18 Vgl. Handelsblatt Nr. 23,
1./2.2.2002, S. 2 "Die Eckpfeiler im System Ackermann stehen"
von Felix Schönauer.
19 Angaben der Monopolkommission
(verschiedene Hauptgutachten). Die Ankündigung,
Aufsichtsratsvorsitze nicht länger übernehmen zu wollen, wurde
auf der Bilanzpressekonferenz am 29. März 2001 gemacht.
Gleichzeitig wurden die neuen Corporate-Governance-Grundsätze
der Bank vorgestellt.
20 "Für die Deutsche Bank äußerte
er (Hilmar Kopper, J.B.) den Wunsch, Anteilsbesitz
umzuschichten. Dem stünde jedoch die Steuergesetzgebung
entgegen. Die durch eine Verlagerung der Anteile entstehenden
Veräußerungsgewinne würden steuerlich wie Erträge behandelt.
Die Folge wäre ein unwiederbringlicher Substanzverlust für die
Anleger" (Handelsblatt Nr. 201, 18.10.1995, S. 37 "Kopper
fordert mehr Rückhalt für Banken").
21 Im Jahr 1997 wurden die
stillen Reserven der Allianz auf mindestens 60 Mrd. DM
geschätzt (Der Tagesspiegel 10.12.1997: "Versicherern könnte
eine Revolution bevorstehen" von Helmut Zermin).
22 Dies geht nicht zuletzt aus
einem Gutachten des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung
hervor, das im Auftrag des Bundesministeriums der Wirtschaft
im Jahr 1999 erstellt wurde. Nach diesem Gutachten (Kammerath
1999: 75) ist die Allianz das mit weitem Abstand am stärksten
in Ring- und Überkreuzverflechtungen eingebundene Unternehmen.
Insgesamt sind hingegen lediglich 0,7% der untersuchten rund
26.516 deutschen Unternehmen involviert.
23 Gemäß dem Handbuch der
Großunternehmen (Hoppenstedt Verlag, verschiedene Jahrgänge)
wurde die Überkreuzbeteiligung Mitte der 60er-Jahre von
wechselseitig 30% auf 25% reduziert und bestand bis zur den im
Zuge der Dresdner-Bank-Übernahme erfolgten Umstrukturierungen
in nahezu unveränderter Höhe fort.
24 Siehe Handelsblatt Nr. 108,
7.6.1995, S. 21 "Die Zeit der großen Aufkäufe in Europa ist
vorbei" von Axel Postinett / Wieland Schmitz.
25 Auch ansonsten ist die Allianz
hoch internationalisiert. Mehr als die Hälfte der
Beitragseinnahmen werden außerhalb Deutschlands erzielt, 60%
der Mitarbeiter sind außerhalb Deutschlands beschäftigt.
26 Siehe Handelsblatt Nr. 108,
7.6.1995, S. 1 "Gefahr für den Aktienmarkt".
27 Siehe Handelsblatt Nr. 65,
2.4.2001, S. 13 "Das Thema Allfinanz ist wieder in Mode" von
Phillip Otto.
28 Siehe Handelsblatt Nr. 66,
3.4.2001, S. 12 u. 25 "Freundliche Übernahme" und
"Ergebnisschub durch Übernahme".
29 Siehe Handelsblatt Nr. 65,
2.4.2001, S. 27 "Bei Fonds macht Allianz großen Schritt nach
vorn".
30 Das Dichtezentrum der 15
personell am engsten verflochtenen Unternehmen des Jahres 2001
wurde mit Hilfe des Netzwerkanalyseprogramms UCINET IV in
Analogie zum Vorgehen in früheren Arbeiten (Beyer 1998)
berechnet. Berechnungsgrundlage waren Informationen aus
Geschäftsberichten und Unternehmenshomepages. Vergleichbare
Ergebnisse zum Rückgang der Dichte im deutschen
Verflechtungszentrum wurden auch von Windolf (2000) und Heinze
(2001) festgestellt.
31 Der Deutsche Bank
Vorstandssprecher Rolf-E. Breuer hat Anfang Februar 2002
angekündigt, die Beteiligung an DaimlerChrysler drastisch zu
reduzieren, falls diese auf kurze Sicht kein Aufwärtspotenzial
zeige. Die Beteiligung wurde einst als strategische Verbindung
des größten deutschen Finanzinstituts mit dem größten
Industrieunternehmen aufgebaut. Wenn Rolf-E. Breuer heute
Renditegesichtspunkte in den Vordergrund rückt, dann bedeutet
dies eine fundamentale Abkehr von den ursprünglichen mit
dieser Beteiligung verfolgten Zielen.
32 In solchen Fällen
langanhaltender Strategiebeibehaltung trotz hoher Dissonanz
kann dann auch mit überzogenen Wechseln zu einer sich
anbietenden Gegenalternative gerechnet werden (Hirschman
1982).
33 Der aber bei deutlich
gewordener Ineffizienz möglich bleibt, wie der Zusammenbruch
der planwirtschaftlichen Systeme belegt.
34 Vgl. hierzu Britta Rehder
(2001).
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