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19.04.2012
Neben �konomischen haben auch soziale Faktoren  Einfluss auf die Geburtenrate. (Bild: Deutschlandradio - Daniela Kurz)Neben �konomischen haben auch soziale Faktoren Einfluss auf die Geburtenrate. (Bild: Deutschlandradio - Daniela Kurz)

Wo werden in Deutschland die meisten Kinder geboren?

Neue Ergebnisse des Max-Planck-Instituts f�r Gesellschaftsforschung

Von Mirko Smiljanic

Die Fertilit�tsrate ist f�r Demografen eine wichtige Variable, um die Entwicklung einer Bev�lkerung vorherzusagen. In Deutschland zeigt sich, dass die durchschnittliche Zahl der Kinder pro Frau regional unterschiedlich ausf�llt: Im Norden werden teilweise bis zu doppelt so viele Kinder geboren wie im S�den. Den Gr�nden sind Soziologen am Max-Planck-Institut f�r Gesellschaftsforschung in K�ln auf der Spur.

"Oh, oh, einen Moment, einen Moment, ja, ich kann ihm jetzt noch mal die andere Brust geben, dann bleibt er ruhig."

Anna Albers, Tourismusmanagerin aus Barcelona.

"Das Kind ist jetzt 18 Tage und meine Tochter ist jetzt zweieinhalb, im Juli wird sie drei."

Sie ist eine gl�ckliche Mutter - jede andere Beschreibung w�re falsch. Gl�cklich ist auch ihr Mann Sebastian La�au, der in den n�chsten Wochen seine erste Stelle als Lehrer antritt - ein Mensch mit eindeutiger Affinit�t zu Kindern,

"Ja, ich habe selber vier Geschwister, komme aus einer gro�en Familie und habe es immer als sehr sch�n empfunden, in einer gro�en Familie zu leben."

Vergleichbares kennt seine Frau aus ihrer Kindheit.

"Ich bin in einer Familie aufgewachsen mit drei Kindern, das hat mir sehr gut gefallen, das wollte ich auch machen."

Zwei Kinder hat das K�lner Paar, womit es die durchschnittliche Fertilit�tsrate der Domstadt weit �bertrifft. Statistisch 1,3 Kinder bekommt jede Frau in der Rheinmetropole, das entspricht etwa dem bundesdeutschen Durchschnitt - wobei die Betonung auf Durchschnitt liegt, regional schwanken die Fertilit�tsraten erheblich.

"Besonders niedrig ist eine Region, wenn sie von 1 bis 1,09 Kindern pro Frau verzeichnet."

Barbara Fulda, Soziologin am Max Planck Institut f�r Gesellschaftsforschung, K�ln.

"Diese Regionen findet man beispielsweise im S�den Deutschlands h�ufig, allerdings ist 1 bis 1,09 sehr niedrig, 1,1 bis 1,3 sind wahrscheinlich dann normal niedrige Fertilit�tsraten; und eine sehr hohe Fertilit�tsrate von 1,7 bis 1,79, die gibt es besonders im Nordwesten, beispielsweise wird Cloppenburg immer genannt, ich habe auch auffallend hohe Fertilit�tsraten f�r die Grafschaft Bentheim und Borken gefunden; im Osten ist Dresden die Stadt, in der auff�llig hohe Fertilit�tsraten gerade in den letzten Jahren zu beobachten sind."

Der Norden und Osten Deutschlands haben hohe Fertilit�tsraten, der S�den niedrige - in M�nchen werden bundesweit die wenigsten Kinder geboren, im nieders�chsischen Cloppenburg die meisten. Drei Faktoren bestimmen die Fertilit�tsrate. Da sind einmal "Strukturelle Kontextmerkmale".

"Damit sind beispielsweise regional verf�gbare Kinderbetreuungspl�tze, aber auch die Arbeitsmarktsituation vor Ort gemeint, andererseits werden in der Forschung soziostrukturelle Merkmale der Bev�lkerung in einer Region ber�cksichtigt, das sind zum Beispiel der durchschnittliche Bildungsgrad in einer Region oder das durchschnittliche Einkommen."

Und drittens gibt es "Soziale Kontexteinfl�sse". Netzwerke wie Familien und Freunde, das Wohnumfeld, aber auch religi�s oder kulturell tradierte Werte, beeinflussen die Fruchtbarkeitsrate - genauer: Sie beeinflussen die Entscheidung eines Paares, wie viele Kinder es wann bekommen m�chte.

"Das hei�t, dass Menschen erst ab einer abgeschlossenen Berufsausbildung und einem festen Beruf, �berhaupt erst ins Auge fassen, Kinder zu bekommen. Dieses Muster ist im Osten eher aufgeweicht, dass man gar nicht annimmt, man muss heiraten, bevor man ein Kind bekommt, sondern man kann das auch ruhig in einer Lebenspartnerschaft tun. Deswegen ist es dort auch leichter, als alleinerziehende Frau von anderen nicht schr�g angesehen zu werden, als es im S�den Deutschlands der Fall ist, wo man erwartet, dass Menschen verheiratet sind und in einer geordneten Partnerschaft leben, wenn sie ein Kind haben."

Nun scheitern geordneten Partnerschaften in geordneten Verh�ltnissen aber zunehmend an �konomischen Problemen: Ausbildungszeiten ziehen sich in die L�nge; das erste nennenswerte Gehalt wird fr�hestens mit Mitte 30 �berwiesen; wer Karriere machen will, muss auch mal ins Ausland gehen. Keine gute Basis f�rs Kinderkriegen, sagen sich viele Paar vor allem im S�den Deutschlands - und verzichten auf Nachwuchs.

Neben �konomischen Faktoren haben auch soziale Netzwerke Einfluss auf die Entscheidung f�r oder gegen Kinder. Da sind einmal Freunde und Bekannte. Aus der Anzahl ihrer Kinder leiten viele angemessene Kinderzahlen ab, unabh�ngig von ihren eigenen Bed�rfnissen.

"Wie viele Kinder hat man denn so �blicherweise, dann nat�rlich auch die soziale Interaktion mit Freunden, wenn alle Freunde keine Kinder haben, wenige Kinder haben, orientiert man sich daran vielleicht auch in den Vorstellungen zum normalen Leben."

Nicht zu untersch�tzen - sagt Barbara Fulda vom Max Planck Institut f�r Gesellschaftsforschung - ist der Einfluss der eigenen Eltern,

"Die nat�rlich auch fragen, warum hast Du noch kein Kind, willst Du nicht langsam mal oder so, und diese althergebrachten Vorstellungen k�nnen auch zwischen Regionen unterschiedlich sein."

Den st�rksten Einfluss auf die Fertilit�tsrate haben aber die individuellen Vorstellungen �ber den Ablauf eines gelungenen Lebens,

"Wenn also die Norm ist, man ist verheiratet und erst dann bekommt man ein Kind, aber eben dieser Schritt der Heirat ist nicht m�glich, man findet nicht den richtigen Partner oder der Partner will nicht mehr heiraten, dann kann man ja dieses notwendigen Schritt vor dem Kinde bekommen, gar nicht erst durchf�hren, weswegen auch der Kinderwunsch nicht erf�llt werden kann."

Ein Ph�nomen, das sich aktuell in Italien beobachten l�sst. Viele junge M�nner leben aus Kostengr�nden noch bei ihren Eltern, sie k�nnen keine Familien gr�nden, weshalb die Fertilit�tsrate in Italien zu den niedrigsten Europas z�hlt.

Und weil Frauen immer sp�ter ihr erstes Kind bekommen, greift noch der Effekt des "Nichtstuns",

"Was dann letztendlich dazu f�hrt, dass kein Kind geboren wird. Es ist also keine bewusste Entscheidung in dem Sinne, von Anfang an zusagen, nein, ich will kein Kind, sondern es ist einfach eine Entscheidung, die sich irgendwann einfach er�brigt."

F�r Anna Albers und Sebastian La�au trifft all das nicht zu. Sie haben schon zwei Kinder, nur beim m�glichen Dritten driften die Meinungen auseinander.

"Ich w�rde gerne noch ein Kind bekommen, ein Drittes, ja!"

"Ich nicht, mit zweien habe ich genug, ich bin jetzt 35, wenn ich fr�her angefangen h�tte, vielleicht k�nnte ich mir vorstellen, noch ein drittes Kind zu bekommen, aber jetzt nicht, ich glaube zwei reichen mir."