Abstract
Confronted with increased difficulties to raise taxation, high inflation, and pressures to maintain social spending, many rich democracies have increasingly sought to raise funds in financial markets since the 1970s. Using the notion of “infrastructural power,” this paper examines the various ways in which states have become infrastructurally entangled with key actors in financial markets that provide the infrastructure of today’s markets for government bonds. Drawing on twenty-two interviews with debt managers and market participants, and documentary material, the article analyses the rise to prominence of MTS (Mercato dei Titoli di Stato), an electronic platform for trading government bonds that has become a key feature of Europe’s government bond market infrastructure. It traces the emergence of MTS in Italy, its rapid diffusion through Europe and its limited (or even non-existent) success in gaining market share in Germany and the UK. In so doing, this paper finds that some debt management units actively regulate their secondary bond markets to stimulate competition among dealer banks; they “orchestrate” the market for government bonds. Others take a more hands-off approach and only engage with secondary markets mostly as market participants by issuing debt instruments and perhaps buying and selling them in the secondary market. These differences are important for understanding the politics of sovereign debt: they reflect power relations, may impact states’ cost of borrowing and their capacity to withstand moments of fiscal stress.
Unter dem Eindruck zunehmender Schwierigkeiten bei der Besteuerung, der Inflation und der Belastungen durch die Aufrechterhaltung der Sozialausgaben haben sich viele reiche Demokratien seit den 1970er-Jahren verstärkt darum bemüht, Kapital an den Finanzmärkten zu beschaffen. Ausgehend vom Begriff der „infrastrukturellen Macht“ untersucht dieses Papier verschiedene Formen struktureller Verbindungen zwischen Staaten und Schlüsselakteuren auf den Finanzmärkten, die die Infrastruktur der heutigen Märkte für Staatsanleihen bereitstellen. Auf der Grundlage von 22 Interviews mit Schuldenmanagern und Marktteilnehmern sowie Quellenmaterial analysiert der Beitrag die wachsende Bedeutung des MTS (Mercato dei Titoli di Stato), einer elektronischen Handelsplattform für Staatsanleihen, die im Laufe der Zeit zu einem zentralen Element der Infrastruktur des europäischen Marktes für Staatsanleihen geworden ist. Er zeichnet die Entwicklung des MTS in Italien, seine schnelle Verbreitung in Europa und seinen mäßigen (oder sogar nicht vorhandenen) Erfolg bei der Sicherung von Marktanteilen in Deutschland und Großbritannien nach. Im Ergebnis zeigt sich, dass einige Schuldenmanagement-Agenturen ihre Sekundärmärkte für Anleihen aktiv regulieren, um Anreize für den Wettbewerb zwischen Händlerbanken zu schaffen; sie „manipulieren“ den Markt für Staatsanleihen. Andere verfolgen einen eher passiven Ansatz und treten auf den Sekundärmärkten hauptsächlich nur als Markteilnehmer in Aktion, indem sie Schuldtitel ausgeben und möglicherweise auf dem Sekundärmarkt kaufen und verkaufen. Diese Unterschiede sind für das Verständnis der Staatsschulden-Politik von entscheidender Bedeutung: Sie spiegeln Machtverhältnisse wider und wirken sich gegebenenfalls auf die Kosten der Kreditaufnahme durch Staaten und deren Widerstandsfähigkeit gegenüber haushaltspolitischen Herausforderungen aus.