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Abstract:
In einer Serie von vier EEG-Experimenten wurde der kontrovers diskutierte Zeitverlauf der
Verarbeitung prosodischer und syntaktischer Informationen beim Sprachverstehen mit Hilfe
ereigniskorrelierter Potentiale (EKPs) untersucht. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob und
wann Prosodie und Syntax interagieren. Dabei wurden zwei verschiedene Vorgehensweisen
gewählt:
(1) Beeinflussen interindividuelle prosodische Verarbeitungsunterschiede syntaktische Verarbeitungsprozesse?
In Experiment 1 konnte gezeigt werden, dass in Abhängigkeit von der
individuellen prosodischen Beurteilungsleistung die Topografie der mit der initialen syntaktischen
Strukturbildung in Verbindung gebrachten ELAN-Komponente moduliert wird.
(2) Um die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Prosodie und Syntax auch intraindividuell
zu untersuchen, wurden in den Experimenten 2, 3 und 4 die Variablen Syntax und Prosodie
innerhalb eines Verletzungsparadigmas systematisch variiert. In Experiment 2 wurde
eine in der Literatur bislang nicht berichtete rechts-anteriore Negativierung („RAN“) gefolgt
von einer P600 in Reaktion auf verletzte prosodische Erwartungen registriert. Diese Befunde
belegen die psychologische Realität einer eigenen prosodischen Repräsentationsebene
bei der Sprachverarbeitung. Darüber hinaus fand sich eine Tendenz zu einer Interaktion zwischen
prosodischer und syntaktischer Information in einem späten Verarbeitungszeitfenster
(P600). In Experiment 3 konnte das zuvor beobachtete biphasische Muster aus RAN gefolgt
von P600 für verletze prosodische Erwartungen auf einer anderen Position im Satz repliziert
werden. Darüber hinaus gelang es, die Interaktion zwischen Prosodie und Syntax im Zeitbereich
der P600 statistisch abzusichern. In Experiment 4 schließlich konnte anhand einer
Modulation der ELAN-Komponente nachgewiesen werden, dass prosodische Information
auch bereits verarbeitungsinitiale Prozesse der syntaktischen Strukturerstellung beeinflussen
kann. Bemerkenswert ist dabei, dass Prosodie nach dem derzeitigen Erkenntnisstand die
einzige sprachliche Information ist, die noch vor der primären syntaktischen Information
verarbeitet werden kann.